Full text: Ziele und Resultate der neueren mathematisch-historischen Forschung

69 
mutandis in einem allgemeineren Sinne. N ess ei mann hat eine 
kurze oft heissende Kritik all der Versuche geliefert, welche 
deutsche Gelehrte im Verlaufe zweier Jahrhunderte auf mathe 
raatisch-historischem Gebiete gemacht haben, und vermag wenig 
Günstiges zu berichten; auch von ausländischen Arbeiten lässt 
er nur eine einzige voll gelten, die freilich nicht immer diplo 
matisch Vertrauen verdienende in ihrer Art aber noch immer 
klassische „Histoire des mathématiques“ von Montucla. Die 
Sucht einer wissenschaftlich noch unmündigen Zeit, Chroniken 
und Commentare nicht aber selbstständige Forschungen zu pro- 
duciren, steckte noch zu sehr im Blute einer späteren Generation. 
Die guten Absichten klardenkender Männer manifestiren sich 
besonders deutlich in dem Versuche, eine encyklopädische Ge 
schichte aller Disciplinen durch eine Reihe hiezu befähigter Ge 
lehrter bearbeiten zu lassen — gewiss ein richtiger Gedanke, 
aber welche Früchte brachte er: Kästner's als Sammelkasten 
freilich sehr werthvolle „Geschichte der Mathematik“ und die 
noch ungleich unbedeutendere Geschichte der Physik von Mûr 
ira r d 2 ). In richtigem Verstände als comparative Methodenlehre 
haben überhaupt nicht deutsche sondern englische und franzö 
sische Schriftsteller die Wissenschaftsgeschichte zuerst formulirt, 
wie denn bereits Priestley’s „Geschichte der Optik“ in be- 
achtenswerther Weise eine neue Auffassung signalisirt. 
1) Nesselmann, S. 13 ff. 
2) M xi r hard, Geschichte der Physik, 1. Band, Göttingen 1798—99. 
' Note 11. 
Die eigenen Worte Hankel’s beziehen sich zunächst auf 
den in den Arbeiten der Alten überall hervortretenden Fehler, 
unvorbereitet an die gestellte Aufgabe heranzutreten; sic lauten 
so 1 ): „Wir haben besonders den Fehler zu bemerken, dass sie 
überall die nächstlicgenden durch die alltägliche Beobachtung 
gegebenen Probleme angriffen und hartnäckig an ihnen festhiel 
ten, obgleich ihnen die Mathematik die wichtige Lehre hätte 
geben können, dass solche nicht selten viel complicirter sind als 
ferner liegende Probleme; dass man sich durch die wissenschaft 
liche Entwickelung selbst zu den Aufgaben führen lassen muss. 
Wir stehen nicht an zu behaupten, dass in diesem von den Ma
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.