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Nr, 124. [Gauß an Gerling.]
Göttingen, den 5. Okt. 1821.
Meinen herzlichen Glückwunsch, liebster Gerling, zu dem von
Ihnen übernommenen Geschäfte. Es freut mich, daß es in Ihre
Hand kommt, da Sie es sich zur Pflicht machen werden, das große
Triangelnetz mit aller möglichen Sorgfalt auszuführen. Ich halte
dies für etwas überaus Wünschenswertes und beklage es immer,
wenn man schon bei den Triangeln der ersten Ordnung geizig über
legt, durchaus nichts mehr an Genauigkeit anwenden zu wollen, als
für den allerletzten Zweck unumgänglich nötig ist. Die genaueste
Kenntnis der relativen Lagen der interessantesten Punkte eines
Landes kann in vielfacher Beziehung nützlich sein, auch ganz ab
gesehen davon, daß eine Detailvermessung darauf am besten zu
stützen ist. Es wäre gewiß äußerst wichtig, wenn der größte Teil
von Europa vollständig mit einem Netz überzogen wäre, und nach
u[nd] nach werden wir dahin kommen; jeder Staat sollte es sich
zur Ehre rechnen, seinen Anteil daran so gut zu liefern, daß er
würdig sei, neben den besten zu stehen.
Ich sollte glauben, daß Sie gut tun würden, den Meißner auch
mit zu einem Dreieckspunkte zu wählen; Sie werden denselben
unmittelbar mit wenigstens fünf meiner Dreiecksp[un]kte in Ver
bindung setzen können und wahrscheinlich mit ebensoviel Müff-
lingschenf 1 ] dazu. Ich werde gern dabei hilfreiche Hand bieten
und, insofern es sich nur irgend einrichten läßt, die diesseitigen
Beobachtungen dahei machen. Die Heliotrope erleichtern solche
Arbeiten außerordentlich, und es bedarf auf dem Meisner weiter
keiner Anlage, als daß ein steinernes Postament von zirka 1% Fuß
Quadrat und 3 Fuß Höhe über der Erde gesetzt werde, um Helio
trop und Theodolithen darauf zu stellen, und daß vielleicht einige
Bäume gefällt werden, falls ohne das die freie Aussicht nicht voll
ständig erreicht werden kann.
Im nächsten Jahre hoffe ich drei Heliotrope anzuwenden, ich
lasse zu dem einen vorhandenen noch zwei andere nach einem ganz
verschiedenen Prinzip machen. Mein Sextant ist, wie Sie wissen,
zu einem Viceheliotrop eingerichtet u[nd] hat im verwichenen
Sommer zu telegraphischen Signalisierungen herrliche Dienste ge
tan. Die Preise sind mir noch ganz unbekannt; dies kann für Sie
gar kein Objekt sein.
Die Fäden im Theodolithen sehen so aus: die parallelen habe
ich Mitte zu Mitte 42" oder im Lichten etwa 38" auseinander; in
meinem eigenen neuen Theodolithen stehen sie noch etwas näher,
dies ist aber nur dann ratsam, wenn man, wie es bei letzterem der
t 1 Mnifling, Friedrich Ferdinand Carl, Freiherr von; geh. 1775, gest. 1851, preuß,
General, 1847 General-Feldmarschall, leitete 1805 die Vermessungen in Thüringen.]