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meine Frau, welche Sie gar zu gern nach Ehren und Würden
empfinge, mit der Betrachtung, daß Ihnen seit den letzten Reise
jahren wohl mancherlei graue Stübchen vorgekommen sein
möchten, die dem unsrigen parallel zu taxieren wären. Wir haben
nun gestern ordentlichen Rat gehalten und gefunden, daß, wenn
Sie vorlieh nehmen wollen, sich alles recht hübsch machen läßt
und für uns alle, inklusive einiger Verwandten, die hei uns ab
treten wollen, in unserm Hause ordentlich Platz ist. Wenn Sie also
dies kaum anbietenswürdige Arrangement annehmen wollen, was
uns unendlich erfreuen würde, so haben Sie wohl die Güte, mir
ein paar Worte zu schreiben. Freilich müssen Sie dann auf ein
freundliches Gesicht mehr sehen als auf freundliche Möbel,
Tapeten usw. Wollen Sie aber das nicht annehmen, so müssen wir
uns bescheiden; ich würde aber sodann die Pflicht erfüllen,
Ihnen ein anderweitiges Logis vorher auszumachen, und würde
auch auf diesen Fall um ein paar Worte Nachricht bitten.
Nur um das eine bitte ich noch, richten Sie sich doch womög
lich so ein, daß Sie nicht allzu kurz hier sind, sondern vor oder
nach dem Jubiläum doch ein paar Tage Ihres Lebens hier noch in
aller Ruhe froh werden können (während des Jubiläums selbst
wird es wohl ein wenig bunt zugehen). Es ist hier in Marburg
wirklich Gelegenheit, unter fröhlichen Menschen fröhlich zu sein
und wünschte ich, Sie machten davon Gebrauch.
Ihrer lieben Frau, der Schwiegermutter, Mutter, Minchen,
Wilhelm und Therese, die mir alle hei meinem neulichen Auf
enthalt Liehe und Freundschaft zu erweisen wetteiferten, meine
herzlichsten Empfehlungen. Auf den Fall, daß Sie bei der Ankunft
dieses Briefes noch nicht in Göttingen sein sollten, bitte ich ins
besondere Minchen, die doch wohl am wenigsten dadurch beschwert
sein wird, mir mit zwei Worten die Ankunft desselben zu melden.
Von uns schreibe ich heute weiter nichts, als daß wir gottlob
im allgemeinen gesund sind, auch mir die Reise sehr wohl getan
hat. Alles übrige mündlich.
Mit unveränderter Ergebenheit der Ihrige
Gerling.
Nr. 176. [Gauß an Gerling.]
Göttingen, den 19. Julius 1827.
Wie innig ich es bedauert habe, von Ihnen hier verfehlt zu
sein, brauche ich Ihnen, mein teuerster Gerling, nicht zu sagen.
Ich hätte allerdings Ihren vorletzten Brief erst noch vor meiner
Abreise beantworten sollen; daß es nicht geschehen ist, kann ich
nur durch das damalige Drängen der Geschäfte erklären. Früher
hatte ich mir wohl die Möglichkeit, Ihrer so freundlichen Ein
ladung zum Jubelfeste zu folgen gedacht, wobei ich — ich weiß
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