— 324
nicht, ob durch einen Schreibfehler Ihres Briefes oder durch zu
flüchtiges Lesen desselben (in diesem Augenblick habe ich ihn
nicht zur Hand) — die vorgefaßte Meinung hatte, daß sie schon
im Julius sein würde, und dann hätte ich, falls meine Geschäfte in
Altona früher hätten geendigt werden können, wohl leichter es
möglich machen können. Aber gegenwärtig dürfte ich mir doch
eine abermalige Entfernung von Göttingen, wohin ich vor wenigen
Tagen zurückgekehrt bin, um so weniger erlauben, da sie nicht
unter 8 Tagen sein könnte, und dies kann ich wegen meiner
Vorlesungen nicht gut tun. Ich habe hier ein paar junge Männer,
wovon der eine (schon nach früherer Verabredung) lediglich
meinetwegen nach Göttingen gekommen ist, und gleichfalls meine
Abwesenheit nicht wissend, die 2 Monate auf mich gewartet hat.
Darf ich dem die kurze Zeit, die in diesem Sommer noch übrig ist,
verkümmern?
Übrigens, teurer Gerling, könnte ich auch jetzt nach Marburg
kommen, so geschähe es doch nicht des Jubelfestes wegen, sondern
um Sie und die lieben Ihrigen zu sehen und einige Tage in Ihrem
Kreise zu verleben; es bedarf dazu keines weiteren Impulses, und
ich meine, daß dies noch angenehmer einmal in einer gemeinschaft
lichen Ferienzeit geschehen kann. Ich behalte mir diesen Genuß
vor, sobald ich nur einmal dazu kommen kann, und rechne dann
auf das „graue Zimmer“ und ein freundliches Gesicht.
Obgleich ich hei meinen astronomischen Operationen nicht in
dem Maße, wie ich gewünscht hatte, vom Wetter begünstigt bin, so
glaube ich doch, die Amplitudo des Bogens zwischen den Stern
warten von Göttingen und Altona bis auf einen sehr kleinen Bruch
einer Sekunde festgestellt zu haben[ x ]; ich hahe eine sehr große
Menge von Sternen genommen und zusammen gegen 900 Beobach
tungen gemacht. Es bleibt der Unterschied von 5" gegen die Rech
nung aus den Dreiecken nach Walbecks Erddimensionen, und es
wäre daher sehr interessant gewesen, noch einen Zwischenpunkt zu
hahen. Mit dem Sektor war es unter den obwaltenden Umständen
unmöglich; vielleicht aber beobachten wir künftig noch mit einem
im ersten Vertikal aufzustellenden Passageinstrument gemein
schaftlich in Celle, sowie Schumacher vorher in Altona, u[nd] ich
nachher in Göttingen.
Es hat mich ungemein gefreut, Ihre Frau Mutter in Hamburg
noch in so gutem Wohlsein anzutreffen; auch Ihr Herr Bruder
hat mich nachher noch mit einem Besuch in Altona erfreut.
C 1 Die Abhandlung erschien unter dem Titel: „Bestimmung des Breitennnter-
schiedes zwischen den Sternwarten von Göttingen und Altona durch Beobachtungen am
Ramsdenschen Zenithsektor“ 1828 im Verlage von Vandenhoeck u. Ruprecht in
Göttingen. Wiederabgedruckt in Gauß’ Werken, Bd. IX, S. 5—56; ebendaselbst befindet
sich auf S. 59—62 der Wiederabdruck der Anzeige, die Gauß in den Gött. Gel. Anz.
vom 16. Juni 1828 erscheinen ließ.]