Full text: Briefwechsel zwischen Carl Friedrich Gauss und Christian Ludwig Gerling

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nicht, ob durch einen Schreibfehler Ihres Briefes oder durch zu 
flüchtiges Lesen desselben (in diesem Augenblick habe ich ihn 
nicht zur Hand) — die vorgefaßte Meinung hatte, daß sie schon 
im Julius sein würde, und dann hätte ich, falls meine Geschäfte in 
Altona früher hätten geendigt werden können, wohl leichter es 
möglich machen können. Aber gegenwärtig dürfte ich mir doch 
eine abermalige Entfernung von Göttingen, wohin ich vor wenigen 
Tagen zurückgekehrt bin, um so weniger erlauben, da sie nicht 
unter 8 Tagen sein könnte, und dies kann ich wegen meiner 
Vorlesungen nicht gut tun. Ich habe hier ein paar junge Männer, 
wovon der eine (schon nach früherer Verabredung) lediglich 
meinetwegen nach Göttingen gekommen ist, und gleichfalls meine 
Abwesenheit nicht wissend, die 2 Monate auf mich gewartet hat. 
Darf ich dem die kurze Zeit, die in diesem Sommer noch übrig ist, 
verkümmern? 
Übrigens, teurer Gerling, könnte ich auch jetzt nach Marburg 
kommen, so geschähe es doch nicht des Jubelfestes wegen, sondern 
um Sie und die lieben Ihrigen zu sehen und einige Tage in Ihrem 
Kreise zu verleben; es bedarf dazu keines weiteren Impulses, und 
ich meine, daß dies noch angenehmer einmal in einer gemeinschaft 
lichen Ferienzeit geschehen kann. Ich behalte mir diesen Genuß 
vor, sobald ich nur einmal dazu kommen kann, und rechne dann 
auf das „graue Zimmer“ und ein freundliches Gesicht. 
Obgleich ich hei meinen astronomischen Operationen nicht in 
dem Maße, wie ich gewünscht hatte, vom Wetter begünstigt bin, so 
glaube ich doch, die Amplitudo des Bogens zwischen den Stern 
warten von Göttingen und Altona bis auf einen sehr kleinen Bruch 
einer Sekunde festgestellt zu haben[ x ]; ich hahe eine sehr große 
Menge von Sternen genommen und zusammen gegen 900 Beobach 
tungen gemacht. Es bleibt der Unterschied von 5" gegen die Rech 
nung aus den Dreiecken nach Walbecks Erddimensionen, und es 
wäre daher sehr interessant gewesen, noch einen Zwischenpunkt zu 
hahen. Mit dem Sektor war es unter den obwaltenden Umständen 
unmöglich; vielleicht aber beobachten wir künftig noch mit einem 
im ersten Vertikal aufzustellenden Passageinstrument gemein 
schaftlich in Celle, sowie Schumacher vorher in Altona, u[nd] ich 
nachher in Göttingen. 
Es hat mich ungemein gefreut, Ihre Frau Mutter in Hamburg 
noch in so gutem Wohlsein anzutreffen; auch Ihr Herr Bruder 
hat mich nachher noch mit einem Besuch in Altona erfreut. 
C 1 Die Abhandlung erschien unter dem Titel: „Bestimmung des Breitennnter- 
schiedes zwischen den Sternwarten von Göttingen und Altona durch Beobachtungen am 
Ramsdenschen Zenithsektor“ 1828 im Verlage von Vandenhoeck u. Ruprecht in 
Göttingen. Wiederabgedruckt in Gauß’ Werken, Bd. IX, S. 5—56; ebendaselbst befindet 
sich auf S. 59—62 der Wiederabdruck der Anzeige, die Gauß in den Gött. Gel. Anz. 
vom 16. Juni 1828 erscheinen ließ.]
	        
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