Full text: Briefwechsel zwischen Carl Friedrich Gauss und Christian Ludwig Gerling

Gern möchte ich Ihre Ansicht über diese Fragen erfahren. Nur 
in dem Fall, daß Sie Gründe hätten, die erste zu bejahen, und da 
gegen die zweite zu verneinen, und es übrigens mit Ihrem Rate 
übereinstimmte, würde ich in unserer Fakultät einen Antrag der 
Art machen (dies würde etwa in der ersten Woche des Monats 
Dezbr. geschehen müssen). 
Bei meinem letzten Aufenthalt in Hamburg lernte ich eine, 
mir neue, interessante Eigenschaft des geradlinigen Dreiecks kennen, 
die von einem meiner ehemaligen Lehrer, dem Architekten und 
Zeichenlehrer Lang, aufgefunden und der dortigen mathematischen 
Gesellschaft vorgelegt ist. Der Punkt nämlich, dessen Distanzen 
von den Winkelpunkten zusammen ein Minimum bilden, läßt sich 
sehr leicht konstruieren, wenn man auf den Seiten gleichseitige 
Dreiecke beschreibt und deren Gipfel durch gerade Linien mit den 
gegenüberliegenden Dreieckspunkten verbindet; da sich diese 3 so 
entstehenden Linien in einem Punkte schneiden, so gibt dies zu den 
4 anderen Punkten (innerer Kreis, äußerer Kreis, Schwerpunkt 
und Perpendikelpunkt) ein fünftes interessantes Pendant. — Ich 
möchte die Relation dieses fünften Punktes zu den anderen 4 
wissen, schlage aber vergeblich in meinen Büchern nach. — Wenn 
ich mich recht erinnere, so haben Sie vor etwa 25 Jahren über die 
merkwürdigen Punkte des Dreiecks eine eigene Abhandlung ge 
schrieben. Wollten Sie die Güte haben, mir diese nachzuweisen, 
und ist vielleicht dieser Punkt auch darin schon erwähnt? 
Derselbe Mann ist auch auf eine zweite merkwürdige Eigen 
schaft des ebenen Dreiecks gekommen, von der ich aber schon 
einmal gelesen oder gehört zu haben meine (vielleicht eben bei 
Ihnen?). Wenn man in einem Dreieck I die 3 Perpendikel 
beschreibt, aus diesen ein Dreieck II zusammensetzt, hier wieder 
die Perpendikel fällt, um aus ihnen das Dreieck III zu machen 
usf., so sind die Dreiecke I. III. V.... sowie auch die Dreiecke IE 
IV. VI.... einander ähnlich. 
In dieser ersten Woche meines Hierseins habe ich ein in 
zwischen mir zugeschicktes Buch durchgeblättert (denn es ordent 
lich zu lesen oder zu studieren fehlt es mir an Zeit, besonders auch 
weil ich, wenn ich mir ein Urteil darüber bilden wollte, meine 
Kenntnisse erst über mehrere Materien erweitern müßte), welches 
mich sehr neugierig auf Ihr Urteil darüber gemacht hat. Der voll 
ständige Titel ist: Dynamica siderum universalis s[ive] legis arearum 
Keplerianae abrogatio. Auctore analysta suevo. Stuttgardiae in 
commissis C. Hoffmanni 1830. Der Vf. gibt sich als den Vf. einer 
„cabbala algebraica“ über die Gleichungen des fünften Grades zu 
erkennen und soll Christmann[ x ] heißen und ein württembergischer 
t 1 Christmann, Wilhelm Ludwig, geh. 1780, gest. 1835; Pfarrer zu Graibingen in 
Württemberg; das zweite Buch heißt: Cabbala algebraica sive aequationum 4i gradus et 
alt. resolutio algebraica, Stuttgardiae 1827.]
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.