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Leider sind die Nachrichten von meiner Tochter aus Eger
nicht gut. Das Trinken des Brunnens bekäme ihr nicht und baden
dürfe sie gar nicht. Ebenso drückt mich wieder das Verhältnis
meines jüngsten Sohnes u[nd] das Gefühl meiner Ohnmacht, etwas
Wirksames dabei zu tun. Verschiedene von meiner Seite gemachte
Versuche haben zu gar nichts oder doch nicht zu etwas Annehm
lichem geführt. Sollten die vielen Berührungen, in welche Sie
durch Ihre jetzige Stellung mit Landwirten und Gutsbesitzern
kommen. Sie eine Gelegenheit bemerken lassen, zur Erreichung
jener Wünsche behülflich zu sein, so darf ich mich der Hoffnung
überlassen, daß Sie dabei meiner eingedenk sein werden. Übrigens
ist mein Sohn an seinem jetzigen Aufenthalt bei Administrator
Jessen in Deidersen bei Hameln sehr zufrieden, nur gibt diese
Stellung ihm nicht genug Spielraum zu eigner verantwortlicher
Tätigkeit.
Daß ich im Irrtum gewesen sei, indem ich Ihre Feder zu
erkennen glaubte, scheint doch nicht; ich dachte bei dieser Äuße
rung zunächst nur an einen Aufsatz, der, soviel ich mich erinnere,
etwa Anfang Mai in einer Beilage der Kasseler Zeitung ent
halten war.
Ich habe dieser Tage die Schrift Ihres Kollegen Jordanf 1 ]
gegen Mackeldey durchgeblättert und erst dadurch einen Begriff
von der leidenschaftlichen Art, wie die Fragen behandelt sind,
bekommen. Um so mehr Bewunderung verdient der,
qui potuit tantos componere fluctus.
In der Hoffnung, Sie bald, am liebsten- in Göttingen, zu sehen
und so vielerlei mit Ihnen zu besprechen
der Ihrige
C.F.G.
Nr, 223, [Gauß an Gerling.]
[Ohne Datum.]
Zuvörderst, mein teuerster Freund, meinen verbindlichsten
Dank für Ihre gütige Verwendung wegen der Messungen. [ 2 ]
t 1 Jordan, Sylvester, geb. 1792, gest. 1861, seit 1822 Professor der Rechte in
Marburg, einer der leidenschaftlichsten Vorkämpfer für eine konstitutionelle Regierungs
form. Seine politische Stellungnahme trug ihm 1839 Suspension von seinem Amte und
Gefangensetzung auf dem Marburger Schloß ein; 1843 wurde er wegen Hochverrats zu
5 Jahren Festung und Amtsentsetzung verurteilt; 1845 wurde er vom Ober-Appellations-
Gericht freigesprochen, 1848 die Amtsentsetzung rückgängig gemacht. (Vergl. hierzu
Brief Nr. 350, S. 715.) Die im Text genannte Schrift führt den Titel; „Aktenstücke über
die Frage, ob der § 71 der kurhessischen Verfassungsurkunde auch auf den Abgeordneten
der Landesuniversität anwendbar sei.“ (Offenbach 1833.) Sie war eine Erwiderung auf
eine fast gleichlautende Schrift Mackeldeys. Der § 71 der Verfassung bestimmte, daß
ein Beamter ein Landtagsmandat nur mit Zustimmung der Behörde annehmen dürfe.]
[ 2 Hier fehlt offenbar ein Brief Gerlings, der darauf Bezug hat.]