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ein anderes Porträt gesehen habe, obwohl der hiesige Künstler viel
feiner arbeitet als z. B. in Hannover, Berlin u[nd] Hamburg ge
schieht), was mir einen angenehmen Eindruck gemacht hat. Es ist
darin keine Spur mehr von seiner frühem Kopflosigkeit.
Jetzt noch ein paar Worte über die zu Anfang dieses Briefes er
wähnte Arbeit. [ x ] Sie betrifft die hiesige Professoren-Witwen-Kasse,
wo vor einem Jahr die Anzahl der Witwen so sehr gestiegen war
(auf 22), daß die Einnahmen nicht mehr zureichten, die Pensionen
zu bestreiten, zumal da sich andere Adversitäten damit verbinden,
langwierige Prozesse, wobei alle Zinsen aushleiben u[nd] dagegen
bedeutende bare Prozeßkosten zu tragen sind — und daß daher
Besorgnisse rege wurden. Ich habe diese Besorgnisse insoweit nicht
geteilt, daß ich der jetzigen großen Zahl der Witwen (die sich auch
seitdem um 3 verringert hat) ein überwiegendes Gewicht beigelegt
hätte, wogegen ich aber eine viel größere Gefahr in der jetzigen
unverhältnismäßig großen Zahl der Teilnehmer sehe (50 oder 51,
während vor einigen Dezennien nur 30 oder wenig mehr waren).
Die Kasse subsistiert nämlich fast allein von ihrem Vermögen, indem
die Beiträge ganz unbedeutend sind (10 Taler jährlicher Beitrag,
250 Taler jährliche] Pension, beides Gold). Dazu kommt eine un
klare Fassung eines höchst wichtigen Teils der Statuten, denen man
eine, meinem Urteil nach, höchst unverständige Interpretation in
praxi gegeben hat. Ich habe nun vor mehreren Monaten den Auf
trag erhalten, den Zustand gründlich zu untersuchen, was meiner
Überzeugung nach anders nicht geschehen kann, als daß man die
3 Arten der Verbindlichkeiten der Kasse, nämlich: 1.) gegen die
jetzt vorhandenen 19 Witwen, 2.) gegen die etwaigen Relikten der
jetzigen 51 Mitglieder, 3.) gegen die Relikten aller künftig beitreten
den zu Gelde anschlägt u[nd] mit dem Vermögen bilanziert. Ganz
besonders schwierig (d. i. langwierig) ist die Rechnung 2), und es
ist damit gar nicht durchzukommen, als vermittelst einer Hülfstafel
für eine Verbindungsrente, in welcher volle Jahresunterschiede
und Jahre zum Grunde gelegt. Die Konstruktion einer solchen
Hülfstafel Altersunterschied, — 1 -f- 20 und Alter vom
höchsten bis 20 Jahr zurück, alles durch einzelne Jahre und nach
2 Zinsfüßen, 4 % u[nd] 3% %, u[nd] zwar nach Brünes Mortalitäts
tafel, habe ich nun angefangen und beinahe vollendet, nachdem
ich seit etwa 1 Monat fast meine ganze Zeit darauf gewandt habe.
An sich ist eine solche Arbeit, über 100 000 Ziffern (nach meiner
Art zu schreiben, wo die Hälfte oder mehr im Kopfe gerechnet
wird) erfordernd, eine für den Geist höchst langweilige, ich habe
mich aber doch unterzogen in Betracht der Nützlichkeit der Arbeit,
wozu sie eine Vorbereitung ist, für die Universität, der ich meine
Stellung im Leben verdanke, obwohl ich allerdings gar nicht auf
Dank, sondern nur auf Verdruß dafür zu rechnen habe.
t 1 Siehe Gauß’ Werke, Bd. IV, S. 119 ff.]