Full text: Briefwechsel zwischen Carl Friedrich Gauss und Christian Ludwig Gerling

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Nr, 259. [Gauß an Gerling.] 
Güttingen, den 23. Junius 1846. 
Ich muß Sie, mein hochgeschätztester Freund, recht sehr um 
Verzeihung bitten, daß ich Ihnen den Hagenschen Brief nicht gleich 
zurückgeschickt habe. Bei meinem bald nach Ostern gehaltenen 
Umzuge aus dem Winterzimmer (W) in das Sommerzimmer (O) 
war er verkramt, und, wie ich mit Beschämung gestehen muß, mir 
nachher ganz aus dem Gedächtnis gekommen. Erst nach vielem 
Suchen habe ich ihn jetzt wieder aufgefunden und eile, ihn ver 
langtermaßen zurückzusenden, indem ich mir bloß erlaube, den 
unnützen Ballast (Siegel und blank Papier) davon abzuschneiden. 
Für die gefällige Einsendung der magn[etischen] Beobach 
tungen] danke bestens. Alle einzelnen Krümmungen stimmen 
sehr gut mit den hiesigen und Clausthaler Beobachtungen, nur gehen 
während Göttinger u[nd] (doppelte) Clausthaler vollkommenen 
Parallelismus zeigen, die Marburger etwa bei 23 Uhr bedeutend 
hinunter, halten sich mehrere Stunden in dieser Tiefe und gehen 
dann allmählich wieder in die Höhe. Aus beiliegendem von Gold 
schmidt geschriebenen Blatt f 1 ] werden Sie den Gang der Differenzen 
deutlicher erkennen. Die Marburger ursprünglichen Zahlen m sind 
dabei vor der Vergleichung auf andere reduziert, um nahe gleiche 
Skalenteilwerte zu erhalten nach der Formel m' — 10 / X1 (m — 500) 
und dann g — 900 — m' angesetzt. Ähnliche Anomalien waren 
früher öfters hei Clausthal vorgekommen (wo bekanntlich an zwei 
Apparaten beobachtet wird, einem über, einem unter der Erde). 
Seitdem ich aber dringend empfohlen habe, die Marke wenigstens 
jede Stunde nachzusehen und den Befund im Protokoll zu ver 
merken, scheint jenen Anomalien ganz vorgebeugt zu sein. 
Von meinen beiden Söhnen in Amerika habe ich auch seit 
geraumer Zeit keine direkten Nachrichten. Dagegen war vor etwa 
4 Wochen ein mit beiden sehr genau befreundeter, in St. Louis 
etablierter Kaufmann Angelrodt hier, ein sehr wackrer Mann, aus 
Thüringen gebürtig, der schon seit 20 Jahren dort ein sehr an 
gesehenes Kaufmannshaus hat. Mit diesem sprach ich über die 
bewußte Angelegenheit. Er versicherte, daß europäische Ärzte im 
allgemeinen dort sehr gute Aussichten hätten, daß ihm manche 
Fälle, wo die Übersiedler dort vortrefflich prosperiert haben, be 
kannt seien, und daß er auch selbst einige Male in dem Fall gewesen 
sei, sich solchen Ankömmlingen durch Rat und Tat nützlich zu 
machen, indem er die Bedürfnisse der verschiedenen Ortschaften 
in der Umgebung von St. Louis sehr gut kenne. Umgebung wird 
bekanntlich dort in viel weiterm Sinne genommen als bei uns, und 
Örter z. B., die 50 Meilen entfernt liegen, rechnet man noch dazu. 
t 1 Siehe die Tabelle am Schlüsse des Briefes.]
	        
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