4) Stellt die feste Linie einen Kreis und die sich bewegende
eine Gerade dar, so ist die Bahn eines Punktes der letzteren
eine krumme Linie, welche die Namen Kreisevolvente und
Fadenlinie führt.
Aus diesen Entstehungsarten der Rolllinien kann man ohne
Schwierigkeiten auf ihren Verlauf schliessen: z. B. dass die erst
genannte Kurve aus unendlich vielen unter sich kongruenten
Teilen, den sogenannten Cykloidenzweigen besteht; dass für
die zweite und dritte Kurve dasselbe gilt, dass aber die Anzahl
der Zweige offenbar endlich oder unendlich ist, jenachdem die
Halbmesser beider Kreise commensurabel oder incommensurabel
sind; und schliesslich, dass die Fadenlinie eine spiralähnliche
Gestalt haben wird.
Ferner ergeben sich ohne Mühe aus obigen Definitionen die
Konstruktionen der Cykloiden; wir wollen hier nur noch ihre
Gleichungen entwickeln.
§ H9.
Die gemeine Cykloide.
Nehmen wir die feste Gerade zur Abscissenaxe und den
Anfangspunkt eines Cykloidenzweiges zum Ursprung eines recht
winkligen Koordinatensystems, so seien OQ = x, QP = y die
beiden Koordinaten eines beliebigen Punktes P auf der Cykloide
(Fig. 49) und MN = MP = r der Radius des Rollkreises mit
dem erzeugenden Punkte P.
Es ist aber nun für diese Art von Kurven vorteilhaft, an
statt eine Gleichung zwischen den Veränderlichen x und y
zwei Gleichungen mit drei Variablen aufzustellen; die dritte
Veränderliche sei nämlich der Winkel PMN = ^, um welchen
sich der Radius PM von seiner Anfangslage OY aus gedreht
hat und welcher Wälzungswinkel genannt werden soll.
Nun folgt zunächst aus dem En 4 .mingsgesetze der Cykloide
ÖN~=PN =i>,
und setzt man diesen Wert, sowie ML = rcos<^ und QN = PL
= r sin <p in die Beziehungen
OQ = ON — QN und QP = MN — ML