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weisbar is immer das eine aus dem anderen. Das Wichtige und
Neue hierbei ist aber, dass die Axiomenzahl verkleinert wird
und nicht ('in besonderes Axiom für die Parallelen behauptet
teer den kann, das man auch verändern könne und dabei doch
weiter sprechen von Parallelen, von Winkeln, von Kongruenz
(als wäre dies ein unabhängiger Begriff). Die nichteuklidischen
Geometrien in dem Sinne, wie sie behauptet werden, mit end
lichen Winkelabweichungen, sind falsch. Ein Satz von mehreren
Parallelen ist nur möglich, und zwar ganz ohne Widerspruch
zum euklidisch behandelten Raume, wenn diese untereinander
unendlich kleine Winkel bilden. Eine übereuklidische Geometrie
(wie ich sie nannte) ist kein Gegensatz zur euklidischen, sonderet
eine Erweiterung der bisherigen Geometrie, so wie die Lehre von
den Weitenbehaflangen überhaupt die bisherige endliche Mathe
matik klärt und erweitert.
III. Mengenlehre, Transfinites und Unendliches.
Die sogenannte Mengenlehre hat hei einer gewissen Richtung
von Mathematikern grossen Beifall gefunden, weil es ihnen scheint,
als könne sie die Schwierigkeit des unendlich Grossen bezw. un
endlich Vielen lösen und weil sie zur Unterstützung anderer be
liebter Lehren, namentlich der nichteuklidischen Geometrien be
nutzt wird. Freilich ist sie zur Erklärung der Schwierigkeiten
des unendlich Kleinen auch nach Ansicht dieser Mathematiker nicht
geeignet; aber da dieselben meist dem Limesbegriffe als einer
unübertrefflichen Darstellung huldigen, so ist ihnen dies recht. Es
kommt dazu, dass die Philosophie der Urheber oder besser deren
vermeintliche Philosophie den neueren Anhängern und Bearbeitern
zusagt. Die Entstehung der Mengenlehre ist nicht etwa bloss in
mathematisch fach wissenschaftlicher Weise erfolgt, sondern in fort
währender Beziehung zur Philosophie unter Inanspruchnahme ge
wisser philosophischer Ansichten und bei bestimmter philosophischer
Stellungnahme. Das ist auch natürlich. Denn das Unendliche
berührt die Philosophie, soweit es mathematisch ist, nahe und ge
hört anderseits in die verschiedenen philosophischen Disziplinen