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IV. Die Axiomatik und die Grundlagen der Geometrie.
In unser Bewusstsein gelangt im Laufe unserer geistigen Ent
wicklung ein grosser Reichtum von Tatsächlichem. Wir wissen,
wenn wir bereits einen Reichtum dieser Art besitzen, noch nicht
klar, wie er in unser Bewusstsein kam, sondern vermögen darüber
erst nachzudenken, wenn wir im Besitze sind. Alsdann können
wir nicht sogleich sagen, welche Teile dieses Besitzes einfach sind,
welche zerlegbar in einfachere. Erfasst werden mit der Vorstel
lung recht zusammengesetzte Gebilde. Mögen wir bei der ersten
Entstehung, beim ersten Eintreten in das Bewusstsein auch immer
nur sehr beschränkte Bilder oder Zusammensetzungen erhalten
haben, mag sich Geistiges oder nicht Geistiges dabei in gegen
seitiger Wirkung beteiligt haben, vielleicht nur weniges auf ein
mal, vielleicht auch vieles gleichzeitig in verschiedener Art Zu
sammenwirken d, wir wenigstens haben hernach eine besondere
Arbeit nötig, um zu trennen, zu zerlegen, das Einfache aus dem
Zusammengesetzten herauszufinden.
Eine Aufgabe der Erkenntnis ist es, diese zerlegende Tätig
keit recht weit zu treiben. Die Wissenschaft wird nicht zu Ende
kommen mit dieser Aufgabe. Warum nicht? Es setzen sich der
äussersten Zerlegung in Einzelnes, Einfaches, nicht mehr Zerleg
bares grosse Schwierigkeiten entgegen. Wenn wir jene Aufgabe
recht lange und gründlich betreiben, so kann leicht die Ansicht
entstehen, als ob überhaupt das Ende aller Weisheit sei, zum Un
zerlegbaren zu kommen und daraus das Ganze, soweit wir es
kennen, wieder zusammenzusetzen. Aber wir erkennen gar bald,
dass diese Zusammensetzung wieder etwas erfordert, mit dessen
Hülfe wir zusammensetzen. Dies ist jedenfalls auch ein Etwas,
etwas, was es gibt. Aber da kann der zerlegende Geist auf den
Gedanken kommen, dass wir, ebenso wie wir zerlegt haben in uns
und für uns, so auch das Zusammengesetzte ganz von uns aus
wieder herstellen könnten. Und dann könnten wir sogar zur Ein
bildung kommen, dass wir noch viel mehr in der Zusammensetzung
leisten können, als sich unserem Bewusstsein bisher als Wirkliches
dargeboten hat. Ein besseres Nachdenken zeigt, dass wir eine
tatsächliche Schöpfung alles dessen, was uns geboten ward, einer
tatsächlichen Welt, nicht zustande bekommen, wir selbst als Menschen
gehören dazu als ein geringer Teil, und wenn wir die ganze Welt
nur in unserem Ich suchen, so ist doch unsere schöpferische Ge