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Und er ist durch diese Schwierigkeit zu solcher Bearbeitung der
Vorstellung des Unendlichen gekommen; es ist ihm infolgedessen
die bisherige Definition von Punkt und Gerader zu ungenau vor
gekommen. Wie steht es nun mit jenen Axiomen? Er kann nicht
ohne weiteres zustimmen, dass es zwischen zwei Punkten nur eine
Gerade gebe. Erst muss man sagen, was diese Punkte und diese
Gerade seien, unter genauer Berücksichtigung der Weitenbehaf-
tungen. Sollen die Punkte nur Punkte sein für das Endliche und
ihre Lage auch nur im Endlichen vorgestellt werden, so ist auch
genau zu sagen, was man unter den Geraden zwischen ihnen
versteht. Sagt man z. B., das sollten kürzeste sein, so ist nötig
hinzuzusetzen, ob die vorgestellte Verkürzung nur um endliche
Längen stattfinden solle oder auch um untersinnlich vorstellbare. Der
Satz gilt nur, wenn man nur erstere Vorstellung dabei benutzt.
Sonst aber ist sofort sowohl die Vorstellung der Punkte, wie auch
die Vorstellung der seitlichen Ausdehnung der Linien zu ver
schärfen. Stellt man sich aber zwei Punkte vor, zwischen denen
es keine endlichen Linienlängen, sondern nur übersinnliche gibt,
man könnte flüchtig sagen zwei Punkte im Unendlichen oder von
unendlicher Entfernung, so könnten vom einen zum anderen zwei
Linien gehen, die an irgend eine] 1 Stelle von endlicher Ausdeh
nung (etwa auf dem Papiere vorgestellt) einen räumlich endlichen
Flächenstreifen, sogar einen ebenen Streifen zwischen sich hätten.
Wären diese beiden Linien daselbst endliche Gerade, überhaupt
an jeder Stelle, von endlicher Ausdehnung (mit endlicher Behaf-
tung) gerade, so ist dies natürlich eine Definition der Geraden,
die besonderer Vorsicht beziehlich der Weitenbehaftung bedarf.
Aber es könnten solche Gerade für die Vorstellung auf dem Pa
piere sehr wohl Parallele sein (sich im Endlichen nicht schneiden,
auch bei beliebiger endlicher Verlängerung nicht), sie wären
gleichwohl zwei Gerade zwischen zwei Punkten (nur ist liier so
fort hinzuzusetzen, dass jeder dieser Punkte ein Punkt „für das
Unendliche“ ist, übrigens auch gleichzeitig als Punkt für das
Endliche richtig definiert werden kann). Und es gilt nun ganz
wohl der Satz, dass zwei Gerade zwischen zwei Punkten einen
Raum einschliessen können. Zugleich aber auch gilt ohne den
mindesten Widerspruch gegen das „euklidische Axiom (für das
Endliche)“ der Satz, dass man durch einen Punkt (der endliche
Entfernung von einer Geraden hat) sich mehrere Parallele gelegt
vorstellen kann. Diese Parallelen sind „Parallele für das Endliche“,