Full text: Moderne Verirrungen auf philosophisch-mathematischen Gebieten

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was ist er, wenn eine Krumme z. B. ein Kreis in einem Punkte 
berührt werden soll von einer Geraden und obenein diese Berüh 
rung; so eigentümlich sein soll, dass die Gerade dadurch eine be 
stimmte Richtung hat? Soll dann diese Berührungsstelle kein 
Punkt sein, und was ist dann eine Stelle, die doch auch gegen 
über der Krummen mit ihren Stücken und der Tangente mit ihren 
endlichen Stücken keine Ausdehnung haben soll, sobald man sich 
die Sache genau vorstellt? 
Der Punkt hängt also auf das engste mit anderen geometri 
schen Vorstellungen und Begriffen zusammen; besonders schwierig 
wird dieser Zusammenhang noch, wenn man sich vorstellt, eine 
Gerade sei nicht recht parallel zu anderen, sondern nähere sich 
nach der einen Seite oder nach der anderen Seite, solle die Ge 
rade gar nicht oder erst in beliebiger, vielleicht gar in unend 
licher Entfernung schneiden, mit ihr daselbst, wie man wohl sagt, 
immer mehr zusammenlaufen. Was ist denn dort der Punkt? 
Solchen Schwierigkeiten suchen sich die einen zu entziehen, 
indem sie sich entweder gar nicht lange den Kopf zerbrechen oder 
nach vergeblichem Kopfzerbrechen kurzweg das weitere Nach 
grübeln fortwerfen und sagen: der Punkt ist einfach ein Grund 
element — damit basta! Wenn derartige „Forscher“ hiermit 
wissenschaftlich auftreten und mitreden wollen, so werden wir uns 
für ihre weiteren Behauptungen bedanken; sie gehören nicht mehr 
in eine „wissenschaftliche Diskussion“. Andere kehren eine Art 
von Philosophie heraus, indem sie sich nunmehr Empiristen nennen 
oder sich benehmen wie Empiristen und den Philosophen in ihren 
Behauptungen mit grosser Sicherheit, sagen wir lieber mit Stolz 
und Fachanmassung entgegentreten. Sie verbitten sich unnötige 
Beschränkungen, sie wollen freies Feld behalten, sie definieren 
danach (indem sie ihre Erfahrungen auf ihrem Fachgebiete und 
die ihnen speziell erwünschten Fachansichten benutzen und nun 
dafür passend frei darauf losdefinieren). Um aber diesen Defini 
tionen eine grössere Sicherheit zu geben, berufen sie sich immer 
als Beispiel auf die „Erfahrung“ oder die „Wirklichkeit“ und be 
haupten doch meist hinterher, dass natürlich diese Empirie nur 
ein Beispiel sei, dem sie nach ihrem Ermessen (natürlich ohne 
Widerspruch) andere erfundene an die Seite setzen dürften. 
G. Veronese 1 stützt sich (S. XIV) „auf die Tatsachen des 
1 Grundzüge der Geometrie von mehreren Dimensionen, 1889, übersetzt 
von A.. Schepp, Teubner 1894.
	        
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