Full text: Moderne Verirrungen auf philosophisch-mathematischen Gebieten

fahren oder, wie man verzeihlicherweise wohl meinen könnte: 
Durcheinanderbringen von Definitionen und Axiomen wurde von 
anderen Mathematikern sehr getadelt, ebenso wie Hilberts Buch 
von Anhängern überaus gelobt wird. G. Frege (Universität Jena), 
hat in den Jahresberichten der Deutschen Mathematikervereinigung 
1908, H. 6 und 7, jenes Verfahren energisch kritisiert, z. B.: 
„erst durch sämtliche Axiome, die nach Herrn Hilbert z. B. zu 
der Definition des Punktes gehören, bekommt das Wort Punkt 
seinen Sinn“ ; eine Definition, die eigentliche Erkenntnis schaffen 
wolle, arte in „logische Taschenspielerei“ aus. Dass man über 
haupt immer erst als völlig richtig hingestellte Definitionen geben 
müsse, die etwa gar nicht mehr später näher präzisiert werden 
könnten, würde ich nicht zugeben (siehe: K. G.: Über Begriffe, 
Definitionen und math. Phantasie, Arch. f. syst. Philosophie 1, 1900, 
S. 1 ff.), aber freilich ist durchaus nicht zu billigen, Definitionen 
mit so allgemeinen Begriffen oder Worten wie „ich denke“ zu 
geben, wo entschieden Vorstellungen vorliegeu und dadurch künst 
lich für Ausgedachtes Raum zu schaffen, was man gern auf eine 
Linie mit tatsächlichen Vorstellungen oder Anschauungen (in wei 
terem Sinne) setzen möchte. Ich habe das Nötige in der allge 
meinen Vorbesprechung gesagt. Sein 1 schlimm ist es auch und 
wird mit Recht von vielen Mathematikern anderer Richtung ge 
tadelt, wenn Hilbert, wie die nicht geringe Anzahl heutiger Hoch 
schullehrer aus der ihm verwandten Richtung, dem Worte Punkte 
nachher auch noch eine rein zahlenmässige Bedeutung beilegen 
wollen. Doch ich werde auf die Berechtigung des Gebrauchs, 
geometrischer Namen für Zahlenmässiges noch kommen. Manche 
sind neuerdings infolge vieler Angriffe gegen diese Richtung vor 
sichtiger geworden und behaupten, dass die Anschauung gar nicht 
daran beteiligt sei. Es wird auch als Vorteil hingestellt oder zur 
Abwehr, dass man also bei solchen Fiktionen keine Fehler nach- 
weisen könne (vergl. ähnlich beziehl. des Unendlichen: Hessenberg 
— siehe oben — der ideale oder uneigentliche Punkt des Mathe 
matikers ist eine Fiktion, die unter ausdrücklicher Ablehnung jedes 
anschaulichen Gehaltes der Bezeichnung „Punkt“ eingeführt wird 
— Anm.: Alle besseren Lehrbücher setzen dies klar auseinander 
— mit der man daher der Anschauung keine Fehler nachweisen 
kann). Der zweideutige Gebrauch des Wortes „unendlich“ in der 
Mathematik provoziere zwar Verwechslungen — zwischen diesem 
uneigentlichen Punkte und dem unmessbar weit von anderen
	        
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