Full text: Moderne Verirrungen auf philosophisch-mathematischen Gebieten

für das Unter sinnliche sein. Hieran schliesst sich ganz folge 
richtig die räumliche Lösung der Schwierigkeiten der Berüh 
rung usw. 
Die Parallelen. 
Nach Euklid sind parallel gerade Linien, die in derselben 
Ebene liegen und nach beiden Seiten in das Unendliche verlängert, 
auf keiner Seite Zusammentreffen. Wenn es möglich wäre, die 
Schwierigkeiten, welche im Begriffe der Ebene liegen, bei der 
Erklärung der Parallelen zu vermeiden, so wäre das gewiss zu 
wünschen. Es möchte sein, so wird man sich von vornherein sagen, 
dass in der Definition der Ebene schon die Parallelen versteckt 
vorkämen; die Erklärung der Ebene durch Rotation schliessen 
wir sowieso aus bekannten Gründen von vornherein aus. Jeden 
falls hängen die Parallelen mit dem Unendlichen zusammen und 
es ist von Schnitt die Rede, mag er nun verneint oder irgendwie 
bejaht werden. Borelli im Euklides restitutus sagt dagegen, man 
könne die Eigenschaften des Unendlichen nicht fassen, wir wüssten 
nicht, ob es solche unendliche, sich nicht treffende Linien über 
haupt gebe. Eine andere Definition (Borelli) lässt parallele solche 
Gerade sein, die ein gemeinsames Lot in der Ebene besitzen; es 
fragt sich, ob solche nicht vielleicht doch irgendwo Zusammen 
treffen können, ob der Abstand beider Geraden (nach jener Defi 
nition Borellis) überall auch gleich dem gemeinsamen Lote ist, 
oder ob es nicht Nichtschneidende geben könne, ohne irgend ein 
gemeinsames Lot. Die Definition, parallel seien solche, die überall 
gleichen Abstand voneinander haben, wird vielfach angegriffen 
(z. B, schon von Bitonto und Saccheri), da es zweifelhaft sei, ob 
es solche gebe. Bei näherem Eingehen hat man stets mit dem 
Unendlichen zu tun, was man schon darum erwarten darf, weil 
der Begriff der Geraden auch nicht davon schweigen kann. Dass 
parallel solche Gerade heissen mögen, die denselben unendlich 
fernen Punkt gemeinsam haben sollen, findet man schon bei Kepler 
(Opera omnia, ed. Frisch, Yol. II. S. 185—188) vom Jahre 1604, 
dann 1687 bei Newton in seinen berühmten Philosophiae naturalis 
principia mathematica (Sectio V des I. Buches). Dösargues 1689 
benutzte dieselbe Erklärung, und Steiner benutzte sie für die 
neuere Geometrie 1832. Dass durch diese Benutzung des Unend-
	        
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