Full text: Moderne Verirrungen auf philosophisch-mathematischen Gebieten

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weichen, also für die Behaftung nur mit dem Endlichen (und 
selbstredend erst recht für das sinnlich Wahrnehmbare) alle 
zusammenfallen zu einer einzigen, der euklidischen Parallelen. 1 
Der Winkel. 
Der Winkel ist ein besonders schwerer Begriff, und die Raum- 
vorstellung, auf welche er gestützt wird, ist besonders schwierig 
zu klären. Und doch wird meist mit einer Ungeniertheit, welche 
einer Wissenschaft nicht würdig ist, mit dem Winkel in der Mathe 
matik herumoperiert. Verfährt man hierin leichtsinnig und benutzt 
man nachher bei der Vorstellung oder Behauptung nichteuklidischer 
Geometrien einfach diesen so leichtsinnig eingeführten Begriff“, so 
kann man allerdings allerlei erreichen, aber das Erreichte ist nicht 
sicher vor versteckten Zirkelschlüssen, die mit dem Begriffe des 
Winkels eingeschmuggelt wurden. Wir brauchen nur einige Lehr 
bücher aufzuschlagen, um die Unklarheit und die Verschiedenheit 
bei verschiedenen Mathematikern zu sehen. Der schon erwähnte 
Legendre sagt (Eléments de Géométrie, II e Edit, an VIII, p. 2): 
„Lorsque deux lignes droites AB, AC se rencontrent, la quantité 
plus ou moins grande dont elles sont écartées l’une de l’autre s’ap 
pelle angle.“ Ich brauche den aufmerksamen Leser kaum darauf 
aufmerksam zu machen, welche Verschwommenheit der Grund 
begriffe in diesen Worten wie quantité und écartées steckt. Bei 
anderen ist der Winkel eine „Öffnung“ — man mag sich nun selbst 
klar hinzudeffnieren, was eine Öffnung ist! Bezout (Lehrbuch der 
Arithmet., Geom. u. eb. Trigon., übers, von Kausler 1820, S. 190) sagt: 
„Zwei Linien AB, AC, welche sich durchschneiden, bilden dadurch 
eine mehr oder minder grosse Öffnung zwischen sich ; diese Öffnung 
BAC nennt man einen Winkel.“ Lacroix nennt den Winkel einen 
unbestimmten Raum (Lehrbuch der Elementargeom., übers, von 
Ideler, 1828); „Der unbestimmte Raum, der zwischen (!) zwei sich 
schneidenden Geraden liegt, welche man sich, soweit als man 
1 K. Gr.: Grundgedanken einer übereuklidischen Geometrie durch die 
Weitenbehaftungen des Unendlichen; zuerst als Vortrag auf der Naturforscher 
und Ärzteversammlung Cassel 1903, dann im Berichte der Versammlung, in 
dem Jahresberichte der Deutschen Mathematikervereinigung, Teubner, Bd. XIII, 
1904, Heft 5, S. 233 ff. Die Bedeutung der Winkeldefinition für das Uarallelen- 
problem, Unterrichtsbl. für Math, und Naturwissenschaft. Salle, Berlin, 1906,. 
N. 1 und an andern Stellen.
	        
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