VORWORT DES VERFASSERS
Die darstellende Geometrie ist aus den Bedürfnissen der
Kunst und der Technik erwachsen. Sie ist deshalb immer als an
gewandte Mathematik aufgefaßt worden und ist es tatsächlich im
Hinblick auf den engen Anschluß ihrer Problemstellung an die
Bedürfnisse der praktischen Konstruktionen, sie ist aber ander
seits nach Form und Methode eine rein mathematische Disziplin.
In dieser doppelten Bedeutung dürfte sie eines .noch höheren
Platzes innerhalb der mathematischen Wissenschaften würdig sein
als sie bisher einnimmt. Ohne daß ihr praktischer Wert irgendwie
beschränkt würde, könnte sie bei ihrem elementaren Charakter
und wahrhaft geometrischen Geist dazu berufen sein, die natur
gemäße Einleitung zum Studium der höheren Geometrie zu bilden.
In dieser Bedeutung kommt sie namentlich für die Universitäten
in Betracht, und da das vorliegende Lehrbuch wesentlich für Stu
dierende der Universitäten, d. h. für künftige Lehrer der Mathe
matik bestimmt ist, mußte auf die wissenschaftliche Bedeutung
der darstellenden Geometrie und die wissenschaftliche Exaktheit
ihrer Behandlung besonderer Wert gelegt werden.
Uber die Ausführung im einzelnen sollen nur wenige Worte
vorausgeschickt werden. Als Grundlage der Konstruktionen im
Raume dient die im ersten Kapitel behandelte einfache senkrechte
Projektion auf die Zeichenebene. Wenn der Studierende diese
kurze Darstellung sorgfältig durchgearbeitet hat, ergibt sich ihm
die doppelte Projektion ganz von selbst, und die anderen Metho
den, Parallelprojektion und Zentralprojektion, schließen sich, was
die metrischen Konstruktionen anbetrifi't, eng daran an.
Für die Kurvenlehre haben wir im siebenten und zehnten
Kapitel ganz neue Grundlagen gegeben, die allgemeiner, natür
licher und vollständiger sind als die Entwicklungen, die man in
den analytischen Darstellungen der Infinitesimalgeometrie gewöhn
lich findet. Es ließe sich in dieser Hinsicht noch manches hinzu
fügen; bei dem beschränkten Raum war es aber nicht möglich.
Die entsprechende allgemeine Behandlung der Grundlagen
der Flächentheorie würde einen breiteren Raum beanspruchen und