Full text: Einführung in die Grundlagen der Geometrie (1. Band)

Berechtigung der nicht-euklidischen Raumformen. 
93 
die Folgerungen aus der Rechnung weder unter einander noch 
mit den aufgestellten Voraussetzungen in Gegensatz treten. 
Neben das von Euklid entwickelte System der Geometrie 
stellt sich demnach als theoretisch gleichberechtigt ein zweites, 
worin die Summe der Winkel eines Dreiecks weniger als zwei 
Rechte beträgt. Dasselbe kann auch durch die Annahme charak 
terisiert werden, dafs durch jeden Punkt außerhalb einer Geraden 
mehrere in derselben Ebene liegende gerade Linien möglich sind, 
welche die gegebene Gerade bei unbegrenzter Verlängerung nicht 
treffen. Es wird am passendsten nach Lobatschewsky benannt, 
der zuerst öffentlich darüber gehandelt hat, wenngleich Gauls seine 
Eigenschaften wahrscheinlich früher gekannt hat. 
Die Geometrie Lobatschewski^ behält die Annahme bei, dafs 
die Gerade unendlich sei. Diese Voraussetzung erscheint vielleicht 
manchem selbstverständlich. Aber es kann nicht oft genug darauf 
hingewiesen werden, dafs der Geist nur zu gern bereit ist, die 
jenigen Sätze, welche er regelmäfsig in der Erfahrung, wenn auch 
nur angenähert, verwirklicht findet, als allgemein und streng gültig 
vorauszusetzen. Aber bei allen Anschauungen können wir nur 
ein sehr kleines Gebiet des Raumes benutzen; zudem liefern uns 
die Figuren, aus denen wir derartige Erfahrungen schöpfen, nie 
mals ein völlig getreues Bild. Nun können wir allerdings eine 
gerade Linie unbegrenzt verlängern, und für eine beliebig gewählte 
Fläche der Zeichnung entfernen wir uns vom Ausgangspunkte 
immer mehr, je weiter wir die Verlängerung fortsetzen. Aber diese 
Thatsache gilt nur für beschränkte Räume; es fehlt uns vielmehr 
jede Möglichkeit, die allgemeine Gültigkeit dieser Erfahrung zu 
prüfen. Daher ist es denkbar, dafs die Gerade bei fortgesetzter 
Verlängerung in ihren Anfangspunkt zurückkehrt. Darauf deutet 
die enge Beziehung hin, welche nach § 14 zwischen den ein 
fachsten krummen Flächen des Lobatschewskyschen Raumes besteht. 
Die Geometrie auf der Kugel hat ferner, wie § 17 zeigt, so 
grofse Ähnlichkeit mit der der (euklidischen) Ebene, wofern die 
Gerade durch den Flauptkreis ersetzt wird, dafs es jedenfalls der 
Untersuchung lohnt, ob wirklich die Unendlichkeit im Begriff der 
Geraden liegt. 
Sobald man versucht, aus der Annahme, dafs die Gerade 
geschlossen sei, weitere Folgerungen zu ziehen, ergeben sich zwei
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.