Full text: Einführung in die Grundlagen der Geometrie (1. Band)

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Erster Abschnitt. § 4. 
Das Verfahren scheint für manchen etwas Bestechendes an 
sich zu haben, dürfte jedoch schwerlich jemanden volle Befriedigung 
gewähren. Das ist auch ganz natürlich, da der Beweis eine Lücke 
enthält, und zwar an der Stelle, wo es heifst: Da der Strahl 
wieder in seine Anfangslage gekommen sei, habe er denselben 
Winkel beschrieben, als ob er um einen Punkt eine volle Um 
drehung gemacht habe. Hier wird angenommen, es sei gleich 
gültig, ob man die Drehung um denselben Punkt oder der Reihe 
nach um verschiedene Punkte mache. Das folgt aber keineswegs 
aus den übrigen Voraussetzungen Euklids, ist vielmehr eine ganz 
neue Voraussetzung, der man etwa folgenden Ausdruck geben 
kann: 
Wenn ein Strahl in der Ebene sich der Reihe nach um ver 
schiedene seiner Punkte dreht und schliefslich wieder die Anfangs 
lage erhält, so ist der von ihm beschriebene Winkel ein Viel 
faches von 360°. 
Etwas allgemeiner würde folgender Ausspruch sein: 
Die Summe der Winkel, welche eine beliebig in der Ebene 
bewegte Gerade erzeugt, ist bis auf Vielfache von vier Rechten 
nur von ihrer Anfangs- und Endlage abhängig. 
Somit stützt sich auch dieser Versuch wieder auf eine un 
bewiesene Voraussetzung, bei der man sogar, wenn man streng 
verfahren will, positive und negative Drehungen unterscheiden mufs. 
Bei der Beliebtheit des Thibautschen Versuches ist es viel 
leicht nicht ohne Interesse, noch auf einem andern Wege das 
Mangelhafte des Beweisverfahrens zu zeigen. Man lasse von 
einem Punkte O drei Strahlen OA, OB, OC ausgehen, welche 
nicht in derselben Ebene liegen. Die ebenen Winkel BOG, 
GOA, AOB mögen der Reihe nach mit a, b, c bezeichnet werden; 
die in OA zusammenstofsenden Ebenen b und c seien unter dem 
Winkel « zu einander geneigt, und ebenso sei an OB der Körper 
winkel ß und an OC der Winkel y. Man erweitere die Ebene a 
über OC, die Ebene b über OA, und die Ebene c über OB. 
Dreht man die Erweiterung der Ebene a um OC, bis sie, den 
Nebenwinkel von y beschreibend, in die Ebene b und ihre Er 
weiterung fällt, und drehe jetzt um OB, bis der Nebenwinkel 
von ß, und endlich um OA, bis der Nebenwinkel von « be 
schrieben wird, so ist man wieder in dieselbe Ebene gekommen.
	        
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