Statik.
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Statik.
Kräfte einwirken, so kann genau genom
men das Gleichgewicht nur dann unun
terbrochen erhalten bleiben, wenn die
auf jeden Punkt wirkenden inneren und
äusseren Kräfte, die Resultante Null haben.
Denn bringt man die inneren Kräfte mit in
Rechnung, so ist ja jeder Punkt als frei zu
betrachten, und da sich dieselben in
Gleichgewicht halten, so müssen die äus
seren nothwendig Bewegung erzeugen.
Indessen tritt hier folgender Fall ein,
der in der Rechnung als Fall des Gleich
gewichts betrachtet werden muss. Es
tritt Bewegung ein, dadurch werden die
Punkte aus der Gleichgewichtslage ge
drängt ; nach einer als unendlich klein
zu betrachtenden Zeit und in einer Lage,
die sich von der anfänglichen nur un
endlich wenig unterscheidet, sind aber die
innern Kräfte eben durch veränderte Lage
so modificirt, dass wieder Gleichgewicht
herrscht. Es ist also keine sichtliche
und der Rechnung zu unterwerfende Aen-
derung eingetreten, und somit das Gleich
gewicht als erhalten zu betrachten. Dies
soll jetzt durch Rechnung ausgedrückt
werden. Beziehe sich das Differenzial
zeichen () auf den Uebergang von der
Gleichgewichtslage zu der unendlich na
hen Lage, welche durch die kurze Be
wegung, die nach dem Obigen stattfindet,
erzeugt wird. Nachdem Ruhe wieder
eingetreten ist, hat sich dann die Kräfte
function U verwandelt in U-\-dU, und
folglich wird die Gleichung 1) die Ge
stalt haben :
dU+Ö<W + 2(Xdx + Ydy + Zdz) = 0.
Wegen der anfänglichen Gleichgewichts
lage ist aber dll=0 nach Gleichung 2),
Die beliebige durch ff ausgedrückte
Verschiebung kann nun derart beschränkt
werden, dass sie einen Uebergang von
einer Gleichgewichtslage zur andern an
gibt, also d für ff geschrieben werden
muss. Dann ist auch cdll = 0, wie sich
ergibt, wenn man in die Gleichung 3) für
ff, <5 setzt, also :
4) 2 (Xdx + Ydy + Zdz) = 0.
Diese Gleichung ist, wie wir gleich
sehen werden, fürs Gleichgewicht nicht
nur nöthig, sondern auch ausreichend,
daher die allgemeine Form der Gleich
gewichtsgleichungen. Sie wird das Prinzip
der virtuellen Geschwindigkeit genannt.
Um diesen Namen zu rechtfertigen ist
die Gleichung 4) einer leichten Trans
formation zu unterwerfen.
Wie die Verschiebung auch gedacht
sei, so wird jeder Punkt m einen un
endlich kleinen Bogen ds zurücklegen,
er wird diese Bewegung mit einer Ge
schwindigkeit verrichten, die nach dem
• • d s
in Abschnitt 1) Gesagten gleich v = —
ist, -wenn unter t die Zeit verstanden
ist. Es gibt aber hier v keine, wirklich
dem Punkte ertheilte Geschwindigkeit,
sondern nur eine den Bedingungen des
Systems nach mögliche, die wir als vir
tuelle Geschwindigkeit bezeichnen.
Seien jetzt «, ß, y die Cosinus der
Winkel, welche die Temperatur des
Bogenelementes ds mit den Axen macht,
also:
dx — ads, dy — ßds, dz — yds.
Sei P die Resultante der Kräfte, welche
auf den Punkt m wirken, I, p, v die
Cosinus ihrer Winkel mit den Axen,
also :
X=P)., Y=P H , Z = Pv,
folglich :
Xdx + Ydy -f- Zdz = («A + ßp + yv) Pds.
Sei noch ff der Winkel, welchen die
Kraft P mit der Bahn ds macht, also:
cos ff = «A + ß t u + yv
und
Xdx -f- Ydy -f- Tjdz — Pv cos 9dt,
Die Gleichung 4) wird dann :
5) 2 (Pv cos ff) = 0.
Pv cos ff ist das Produkt der in m wir
kenden Kraft in die Projection der vir
tuellen Geschwindigkeit auf dieselbe.
Dieses Product wird Moment der vir
tuellen Geschwindigkeit genannt, und die
Gleichung 4) oder 5) .drückt somit aus,
dass die Summe der Momente der vir
tuellen Geschwindigkeiten verschwindet.
Um zu zeigen, dass die Gleichung 4)
zum Gleichgewichte auch ausreichend ist,
denken wir uns das System aus «Punkten
bestehend.
Es sind dann, wie früher gezeigt wurde,
3n Gleichungen erforderlich. Wie das
System auch beschaffen sei, so lässt sich
der Zustand desselben durch gewisse,
die Coordinaten der einzelnen Punkte
enthaltende Gleichungen definiren, deren
Anzahl p sein soll, p ist dann kleiner
als 3«, weil, wenn p = 3« ist, jede
Coordinate sich constant ergeben würde,
also die Punkte unbeweglich wären.
Diesen p Gleichungen sind die Verschie
bungen, welche durch d ausgedrückt sind,
unterworfen und keinen andern Bedin
gungen, während also die p Gleichungen
p der Grössen x, y, z, x, . . . als Fun
ctionen der Coordinaten geben, werden
ihre Differenzialgleichungen die Differen