Quadraturen — Zurückf. auf. 397 Quadraturen — Zurückf. auf.
Quadraturen, Zurückführung der
Differenzialgleichungen auf (.Analysis j.
1) Einleitung. Die Zurückfiihrung
auf Quadraturen enthält das bis jetzt am
meisten angewandte Mittel zur Auflösung
oder vielmehr zur Reduction der Diffe
renzialgleichungen. — Die Worte; „Auf
lösung einer analytischen Aufgabe“ wer
den in sehr verschiedenem Sinne ge
braucht. Man sagt z. B., dass die alge
braischen Gleichungen bis einschliesslich
zum vierten Grade auflösbar seien, womit
eben nur gemeint ist, dass diese Auf
lösungen sich auf ein bereits zuvor be
handeltes Problem der Ausziehung von
Wurzeln im gewöhnlichen Sinne, d. h.
auf die Wurzeln solcher Gleichungen,
deren erstes Glied ein Binom ist, zurück
führen lasse. Man spricht aber auch
von der allgemeinen Auflösung der al
gebraischen Gleichungen, und versteht
darunter, da eine allgemeine Zurückfüh
rung dieses Problems etwa auch auf
Wurzeln binomischer Gleichungen un
möglich ist, irgend eine Methode, welche
geeignet ist, in jedem gegebenen Falle
zur Kenntniss der Wurzeln der Gleichung
zu verhelfen. Der Unterschied zwischen
beiden Arten der Auflösung ist also der,
dass im ersteren Falle eine Keduction
auf ein anderes einfacheres Problem ein-
tritt, im zweiten, das Problem, welches
ursprünglich vorliegt, direct angegriffen
wird, und dazu dient, die Wurzeln zu
gleich zu definiren und Ausdrücke dafür
zu finden.
Ganz Aehnliches findet bei den Diffe
renzialgleichungen statt. Auch eine
Gleichung von der Gestalt
definirt völlig die Function von x, welche
hier mit y bezeichnet ist, und nur in
hesondern Fällen kann es gelingen, die
sen Ausdruck auf eine schon vorher
bekannte Form, also z. B. auf eine Auf
lösung einer andern Differenzialgleichung
von der Gestalt
zurückzuführen, welche letztere in der
That mit
u—f 'f (x) dx,
also mit einer Quadratur identisch ist.
Im Allgemeinen dagegen gieht jede Dif
ferenzialgleichung oder jedes System von
Differenzialgleichungen eine neue Art,
eben durch dieselben definirter Trans-
cendenten. Es kann sich also nur darum
handeln, Methoden für die Gewinnung
dieser Transcendenten und zur Ermitt
lung ihrer Eigenschaften aufzufinden.
Dies geschieht entweder durch unend
liche Reihen, oder durch algebraische
Gleichungen, deren Coefficienten der
gleichen Reihen sind, oder auch durch
Angabe von Methoden, welche geeignet
sind, bei numerischen Werthen von x
das zugehörige y bis zu einer beliebigen
Annäherung zu ermitteln. Eben so
wichtig aber ist es, an die Differenzial
gleichungen selbst eine Untersuchung
der Eigenschaften derjenigen Transcen
denten zu knüpfen, welche sie definiren.
So z. B. weiss man immer, wenn diese
Transcendenten doppelt periodisch sind,
dass sie sich auf elliptische Funktionen
zurückführen lassen, dass sie, wenn sie
immer eindeutig und continuirlich blei
ben, sich in die Form von nach ganzen
positiven Potenzen geordneten, immer
convergirenden Reihen bringen lassen
u. s. w. Indess zu einer solchen Auf
fassung des Problems, welche allerdings
als die eigentliche uud allgemeine Auf
lösung zu betrachten ist, hat man eben
in neuester Zeit erst den Grund gelegt,
und im Uebrigen muss man sich daher
begnügen, die Fälle zu ermitteln, wo die
Differenzialgleichungen complicirterer Art
sich auf einfachere (z. B. partielle Diffe
renzialgleichungen auf totale, und die
einfacheren totalen auf Quadraturen) zu
rückführen lassen. — Dies letztere Pro
blem wird uns hier also hauptsächlich
beschäftigen. Es ist jedoch nöthig, auf
die Classificirung, Entstehung und Auf
lösung der Differenzialgleichungen hier
bei etwas näher einzugehen.
2) Eintheilung der Differen
zialgleichungen.
Man kann jeder Differenzialgleichung
eine doppelte Gestalt geben, je nachdem
man die Differenziale selbst, oder die
entsprechenden Differenzialquotienten ein
führt. Gehen wir zunächst von der letz
teren Gestalt aus.
I. Eine Differenzialgleichung oder ein
System solcher Gleichungen wird total
oder partiell genannt, je nachdem alle
darin vorkommenden Differenzialquotien
ten nach derselben unabhängigen Va
riablen genommen sind, oder mehrere
von einander unabhängige Variablen
und die nach ihnen genommenen Diffe
renzialquotienten darin Vorkommen. Die
allgemeine Form einer totalen Differen
zialgleichung ist also: