Full text: Die Wahrscheinlichkeitsrechnung und ihre Anwendung auf das wissenschaftliche und praktische Leben

80 Zweiter Theil. Erster Abschnitt. Sechstes Capitel. 
darzustellen sein, und was die Prämien betrifft, so kann man 
mit der Austheilung derselben völlig auf dieselbe Weise verfahren, 
welche in diesem Capitel, besonders in den §.§. 50 und 51, ge 
lehrt worden ist. Es bedarf wohl hier keiner weitern Erläute 
rung durch Beispiele. 
Schlußbemerkung. Leider können noch immer die In 
teressen der einzelnen Wähler und mehrere andere den Verdiensten 
der Candidaten oft ganz fremde Rücksichten die Ordnung und 
Sicherheit, welche man bei^ solchen Wahleinrichtungen zu erreichen 
beabsichtigt, sehr leicht stören. Dann möchte es freilich am ge- 
rathensten sein, die Wahl lieber wie bisher durch absolute Stim 
menmehrheit zu bewerkstelligen, hierbei aber wenigstens alle die 
jenigen Bewerber, welche die Majorität gleich anfangs ver 
schmäht, ganz auszuschließen. 
Sechstes Capitel. 
Won den Gerichtsurtheilen. 
§. 53. Alle diejenigen Gerichte, welche sehr wichtige Aussprü 
che zu thun oder schwere Verurtheilungcn (als das Resultat ihrer 
Verhandlungen) auszusprechen haben, müssen natürlich im Be 
sitze der stärksten Gründe für die Existenz der zu strafenden Ver 
brechen sein. Weil aber jede nur moralische Ueberzeugung keine 
unwidersprechliche Wahrheit, sondern eine bloße Wahrscheinlich 
keit ist; so muß man, zumal man weiß, daß selbst die scheinbar 
gerechtesten Richter bereits zu viele beklagenswerthe Mißgriffe ge 
than haben, hinsichtlich der Aussprüche oder Verurtheilungcn, 
namentlich zum Tode, mit der größten Vorsicht verfahren, obschon 
es meistens rein unmöglich ist, den Gerichtsurtheilen eine mathema 
tische Gewißheit abzufordern, die jedoch möglichst zu erlangen die 
Gefahr gebietet, der die Gesellschaft, bliebe das Verbrechen straf 
los, sonst ausgesetzt sein würde. Um daher diese Schwierigkeiten 
so viel als möglich zu beseitigen, muß man sich bemühen, für 
das von dem Beklagten begangene Verbrechen wenigstens so 
starke Beweise zu erlangen, daß die bürgerliche Gesellschaft durch 
die unschuldige Verurtheilung des Beklagten weniger zu befürch 
ten hat, als wenn der schuldige Beklagte, frei gesprochen, durch 
seine künftigen Verbrechen die bürgerliche Gesellschaft eben so be 
droht, wie durch das Beispiel, welches seine Lossprechung ähnli 
chen Verbrechen giebt. Leider hängt die gedachte Beseitigung 
obiger Schwierigkeiten von vielen oft schwer zu erkennenden Ne 
benumständen ab, und es wird fast stets unmöglich sein, den zu 
einer Verurtheilung erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit des 
Verbrechens mit Gewißheit anzugeben, was folglich jedem Richter
	        
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