Vorwort.
V
Die in diesem Buche entwickelten neuen Theorien sind, wo es
nicht anders bemerkt wird, ausschliesslich Eigentum Sophus Lie’s
und rühren im wesentlichen aus den Jahren 1871 — 74 her. (Vgl.
die Verhandlungen der Gesellschaft der Wiss. zu Christiania, Decem-
ber 1874, sowie auch die „allgemeine Theorie der partiellen Differen
tialgleichungen erster Ordnung“, zweite Abhandlung, Math. Annalen
Bd. XI (1877), S. 464 ff.) Allerdings ist hervorzuheben, dass in
den ersten Publicationen die Form der Betrachtungen nicht immer
völlig streng war, indem daselbst in der Hauptsache mit den infini
tesimalen Transformationen, nicht, wie es hier geschieht, mit den von
ihnen erzeugten eingliedrigen Gruppen operiert wurde. Aber dies
betrifft eben nur die Form, nicht die Ergebnisse, denn es tritt in
allen diesen Theorien die eigentümliche und für die Bedeutung der
infinitesimalen Transformationen charakteristische Erscheinung zu Tage,
dass Kriterien, die sich durch Benutzung der infinitesimalen an Stelle
der von ihnen erzeugten endlichen Transformationen als notwendig er
geben, andererseits auch wirklich hinreichend sind. Für eine begriffliche
Auffassung ist es nicht schwer, von vornherein den Grund dieser
wichtigen Thatsache zu erkennen.
In Deutschland hat Professor Lie zum ersten Male im Sommer
1886 über diesen Gegenstand Vorlesungen abgehalten. Daran schloss
sich ein Cyclus von Vorlesungen, zunächst eine Einleitung in die
eigentliche Gruppentheorie, dann Vorlesungen über Differential
invarianten, über Berührungstransformationen und Functionengruppen
sowie über die geometrische Theorie gewisser Berührungstransforma
tionen. Seither hat sich dieser Cyclus mehrere Male wiederholt.
Während dieser Zeit erschienen die beiden ersten Bände des grossen
Werkes: Sophus Lie, Theorie der Transformationsgruppen, Abschnitt I
und II, bearbeitet unter Mitwirkung von F. Engel (Leipzig 1888 und
1890), das in erster Linie für Fachmänner berechnet ist und daher
weniger zur eigentlichen ersten Einführung der Studierenden in die
Gruppentheorie geeignet erscheint. So entstand das Bedürfnis nach
einem einleitenden Werke, zumal da die einzelnen Lie’sehen Abhand
lungen über diese Gegenstände in verschiedenen Zeitschriften zerstreut
sind und den Anfängern viele Schwierigkeiten bereiten. Im Gegen
sätze zu jenem Werke über die Theorie der Transformationsgruppeu
wurde also in dem vorliegenden ein ganz besonderes Gewicht auf die
pädagogische Brauchbarkeit des Buches gelegt, und deshalb wurde für
den Vortrag der neuen Theorien eine etwas breite, vielleicht hie und
da etwas zu breite Art für gut befunden. Einzelne schwierigere, für
das Verständnis des Folgenden aber nicht nötige, sowie andere weiter-