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Vierter Abschnitt. Substitutionsmethoden. V.
loren gegangen ist, hatte offenbar die geometrische Construction der
Gleichungen x 3 — p, * 4 = q und * 4 -j- px 3 = q zum Gegenstände.
Woepcke zeigt, dass die letzte der drei Aufgaben sich mittels der
Durchschnitte der Hyperbel y 2 -f- axy -f- b = 0 und der Parabel
x 2 — y — 0 lösen lasse. In seiner Algebra von Omar Alkhayyami*)
theilt Woepcke ferner sub Add. D. die geometrische Construction
der Wurzeln der Gleichung * 4 — 20* 3 -f- ¿000* — 1900 = 0 (allgemein :
* 4 — 2 ax 3 -j- 2 a 3 * — (a 4 — fc 4 ) = 0) mit, welche in einem anonymen
arabischen Manuscripte enthalten ist. Hierin wird die Aufgabe gelöst durch
die Hyperbel y(a — *) = b 2 und den Kreis x 2 -f- y 2 — a\ Auffallend
ist, dass der eminente Geometer Omar sich nicht auch dieser Pro
bleme bemächtigte. Der Grund scheint indess in dem Umstande zu
liegen, dass die Alten den Gliedern der hohem Gleichungen eine rein
geometrische Bedeutung zu unterlegen gewohnt waren, indem sie die
selben auch immer geometrisch zu construiren oder die Auflösungs
methoden geometrisch zu reduciren bemüht wai’en. Omar selbst
spricht sich in seiner Einleitung S. 7 und 8 hierüber ziemlich bestimmt
aus. Seinen rein geometrischen Anschauungen von den algebraischen
Grössen gegenüber war das Biquadrat ein Unding. Bei Cardano
bildet die Potenz der Binome und Trinôme die Basis seiner Analytik,
und da dieselben immer erst geometrisch demonstrirt wei’den, so ist
der Gang seiner Entwickelungen überall äusserst schwerfällig. Diese
Schwierigkeiten, welche noch durch den Mangel einer bequemen syn-
kopirten Bezeichnung der verschiedenen Grössen und ihrer Verbindungen
gesteigert werden, sind aber von Cardano durch seinen bewunderns
würdigen Scharfsinn und durch seine Fertigkeit im Rechnen überwun
den. Obgleich er sich schon wiederholt mit der Auflösung specieller
biquadratischer Gleichungen beschäftigt hatte, indem er sie auf die
Form zweier Quadrate zu bringen suchte, so gelang es ihm doch nicht,
eine allgemeine Auflösung dafür zu erfinden. Auch war sein Verfahren
nicht neu, sondern bereits den Indern bekannt. Einen neuen Anstoss,
durch welchen die Algebra der Gleichungen zu neuen Fortschritten geführt
wurde, gab Giovanno Colla, auch „Zuanne de Tonini da Coi“
genannt, der, wiewol Mathematiker von Fach, doch nur dadurch zu
glänzen suchte, dass er seinen Fachgenossen schwierige Probleme vor
legte, die er selbst nicht zu lösen vermochte. So legte er i. J. 1540 den
Gelehrten folgende Aufgabe vor: „die Zahl 10 in drei Theile zu theilen,
welche in geometrischer Progression stehen und deren erster Theil
mit dem zweiten multiplicirt, 6 ergibt“. Cardano schreibt: Exemplurn,
Fac ex 10. très partes in continua proportione, ex quarurn ductu primae
in secundam, produccntur 6. Hane proponebat Joannes Colla, et dicc-
bat solvi non possc, ego verö dicebam, cam posse solid, modum tarnen
ignorabam, donec Ferrarius eum invenit. Und in Regula IL Cap. XXXIX:
„Alla est régula nobïlior praccédante, et est Ludovici de Ferrariis, qui
*) L’algèbre d’Omar Alkkayyami, publ., trad. et accomp. d’extraits de
manuscrits inédits. Paris. 1851.