114 II. Abschnitt. Flächen in der Form F{x,y,z) = 0.
Mit Hilfe dieses Satzes läßt sich die Differentialgleichung
der geodätischen Linien leicht aufstellen. Die Gleichungen
der Flächennormalen sind nach § 15, (23)
(1) (X — x):(Y~y):{Z—z) = a:b:c.
Die Gleichung der Schmiegimgsebene einer Kurve ist
nach § 3, (6)
X— x äx d 2 x
(2)
Y — y dy d 2 y
Z—z dz d 2 z
= 0.
Die Bedingung dafür, daß die Normale in der Schmiegungs
ebene liegen soll, erhalten wir offenbar, wenn wir in (2) für
X — x, Y—y, Z—z die proportionalen Werte a, b, c in
(2) einsetzen. Bezeichnen wir die linke Seite der resultierenden
Gleichung mit N, so haben wir als Differentialgleichung
der geodätischen Linien
(3)
a dx d 2 x
N=
b dy d 2 y
c dz d 2 z
= 0.
Bemerkung. Die Bedingung (3), welche der analytische
Ausdruck des Satzes 1 ist, ist notwendig. Ob dieselbe
auch hinreichend ist, bleibt noch unentschieden. Mit
anderen Worten: es ist nicht gesagt, daß jede Linie auf der
Fläche, welche der Differentialgleichung (3) genügt, zwei
beliebige Punkte der Fläche auf dem kürzesten Wege
auf der Fläche verbindet. Nehmen wir z. B. einen Groß
kreis auf der Kugel, für den offenbar der Satz zutrifft, und
zwei Punkte auf demselben, die nicht Endpunkte desselben
Durchmessers sind, so ist allerdings der kleinere Kreisbogen
zwischen den beiden Punkten ihre kürzeste Verbindung
auf der Fläche, der größere aber nicht.
Analytisch läßt sich die Frage, ob bei einer geodätischen
Linie tatsächlich ein Minimum vorliegt, mit Hilfe der
Variationsrechnung erledigen, die auch die Aufstellung der
Differentialgleichung (3) ohne Benutzung des Satzes 1 er
möglicht.*) Wir gehen jedoch hierauf nicht weiter ein, sondern
*) Ist PLQ die Länge der geodätischen Linie zwischen den
Fiächenpunkten P und Q, PL 1 Q die Länge einer ihr unendlich