Full text: Allgemeine Theorie der Raumkurven und Flächen (1. Bd.)

§25. Geodätische Linien. Anwendung auf Rotationsflächen. 117 
Diese Gleichung gestattet nach Clairaut eine einfache 
geometrische Deutung. Betrachten wir (vgl. Fig. 16) ein 
Element PP' der geodätischen Linie, und ziehen durch P 
den Parallelkreis (Mittelpunkt 0) und durch P' den Meridian, 
der den Parallelkreis in Q treffen möge, so ist PQP' ein 
unendlich kleines, bei Q rechtwinkliges Dreieck. In dem 
selben ist 
P Q = rdq>, PP' = ds, 
also, wenn Z PP'Q mit a bezeichnet wird 
rdcp 
r— = sin a. 
ds 
woraus nach (7) folgt 
(8) r sin a = r 0 . 
Der Winkel PP'Q = a, den die geodätische Linie mit 
dem Meridian des Punktes P' bildet, ist nun bis auf eine 
unendlich kleine Größe da 
gleich dem Winkel der 
geodätischen Linie mit 
dem Meridian des Punk 
tes P. Gleichung (8) ent 
hält also den 
Satz 4 (von Clai 
raut). Auf einer Rota 
tionsfläch e ist für 
jeden Punkt einer geo 
dätischen Linie das Produkt aus dem Radius des 
Parallelkreises und dem Sinus des Neigungswinkels 
der geodätischen Linie gegen den Meridian konstant. 
Wächst r, so muß a abnehmen und umgekehrt, d. h. 
je größer in dem Gebiet, wo wir den Verlauf der geodätischen 
Linie betrachten, die Parallelkreisradien sind, umso kleiner 
ist der Neigungswinkel der Linie gegen die entsprechenden 
Meridiane. Ist der Radius eines Parallelkreises kleiner als 
die Konstante r 0 , so kann die ihr entsprechende geodätische 
Linie diesen Kreis nicht erreichen, da sin a < 1 sein muß. 
Betrachten wir also eine Zone der Fläche, die von zwei 
gleichen Parallelkreisen mit dem Radius r 0 begrenzt ist, und 
in der alle übrigen Parallelkreisradien > r 0 sind, so verläuft 
die der Konstanten r 0 entsprechende geodätische Linie, für
	        
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