44 I. Abschnitt. Untersuchung von Flächen in Parameterform.
Das Problem der Abbildung von Flächen auf Flächen
ist aus einer praktischen Aufgabe entsprungen, nämlich von
der Erdkugel eine geographische Karte zu entwerfen. Eine
solche Karte ist eine ebene Figur, welche die Erdoberfläche
oder einen Teil derselben darstellt. Eine solche Darstellung
hätte gar keine Schwierigkeit, wenn die Erdoberfläche in
die Ebene abwickelbar wäre. Da indes die Gestalt der
Erde einer Kugel ziemlich nahe kommt, ist es (der strenge
Beweis hierfür wird sich später ergeben) unmöglich, einen
Teil ihrer Oberfläche in einer Ebene darzustellen, ohne die
gegenseitige Lage der einzelnen Orte, sowie ihre Abstände
voneinander zu ändern. Eine geographische Karte gibt daher
stets ein verzerrtes Bild der Erdoberfläche. Man hat sich
aus diesem Grunde damit begnügen müssen, Karten her
zustellen, die wenigstens in kleinen Partien ein ähnliches
Bild des betreffenden Kugelteils geben, so daß also die
Winkel, die z. B. zwei sich kreuzende Straßen, oder Flüsse
mit ihren Nebenflüssen bilden, -in ihrer wahren Größe auf
der Karte zur Darstellung kommen (konforme Abbildung).
Eine solche Abbildung ist dann aber nicht zugleich flächen
treu. Die älteste bekannte konforme Abbildung einer Kugel
auf die Ebene ist die von Ptolemäus herrührende stereo
graphische Projektion. Weiterhin haben sich mit dem Pro
blem der Kartographie in hervorragender Weise Lambert,
Euler und Lagrange beschäftigt.
Die Frage der Kartographie wurde nun von der König
lichen Sozietät der Wissenschaften in Kopenhagen im Jahre
1822 zu folgender Preisfrage verallgemeinert: „Die Teile
einer gegebenen Fläche auf einer anderen Fläche so abzu
bilden, daß die Abbildung dem Abgebildeten in den klein
sten Teilen ähnlich wird“. Gauß hat diese Preisfrage in
voller Allgemeinheit gelöst (Gauß’ Werke IY, S. 189—216),
und zwar auf ähnlichem Wege, wie Lagrange für spe
zielle Fälle.
Ehe wir den analytischen Weg der Lösung (nach
Gauß) betreten, zeigen wir, wie man auf einfache Weise
das Problem der konformen Abbildung durch geometrische
Betrachtungen erledigen kann. Dem Punkt P der Fläche S
möge der Punkt J\ der Fläche S x entsprechen. Jedem
Linienelement a durch P entspricht ein Linienelement %
durch P v Durchläuft a das Strahlenbüschel durch P, so