Sechstes Kapitel.
Der Kreis.
101. In den vorhergehenden Kapiteln haben wir neben
der Entwickelung des Coordinatenbegriffs im wesentlichen die
Geometrie der linearen Elementargebilde und Verwandtschaften
behandelt. Innerhalb dieser Grenzen erscheint die analytische
Geometrie als der geometrische Ausdruck der Theorie der
linearen Gleichungen. Deshalb gelangten Gleichungen höheren
Grades nur insofern zur Besprechung, als sie mit mehreren
linearen gleichbedeutend sind, d. h. in solche zerfallen (§ 53).
So wurden auch von den Gleichungen zweiten Grades nur
diejenigen der Linienpaare untersucht (§§ 54—60). Indessen
hat sich auch schon ein einfachstes Beispiel einer nicht-zer-
fallenden Gleichung zweiten Grades dargeboten, die Gleichung
des Kreises (§ 18).
Nach der gewöhnlichen Anschauung ist der Kreis ein
der Geraden coordinirtes Constructionsmittel. Vor einer Unter
suchung der allgemeinen Curven zweiter Ordnung (§ 22) wird
es daher zweckmäfsig sein, an dem elementaren Beispiel des
Kreises ausführlich zu zeigen, wie die geometrischen Eigen
schaften einer Curve aus ihrer analytischen Definition heraua
zu entwickeln sind (§ 21). Immerhin wird dabei die genaue
Kenntnis des Gebildes ein nützlicher Wegweiser für das ein
zuhaltende Verfahren sein. Zugleich führt dieser Weg auf
gewisse Begriffsbildungen, die sich überhaupt für Probleme
zweiten Grades als wichtig erweisen werden.
Die allgemeinste Gleichung des zweiten Grades in x | y ent
hält die quadratischen Glieder mit :r 2 , xy, y 2 , die linearen