Erstes Kapitel: Größen und Funktionen.
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es viele Probleme, die sich schlechterdings nur rechnerisch lösen
lassen. Man möge dies aber nicht falsch verstehen: Es gibt auch
viele und wichtige Probleme, die der rechnerischen Behandlung die
größten Hindernisse bieten, während ihre angenäherte Lösung auf
zeichnerischem Wege leicht gelingt.
Trotzdem wir in diesem Buche das Gewicht auf die rechnerische
Behandlung der Aufgaben legen, bringt es eine sehr große Anzahl
von Abbildungen. Sie sollen dem Leser eine bessere Anschauung
von der Sache geben, als es die ausführlichste Durchrechnung ver
mag, denn sie erleichtern erheblich das Verstehen der Rechnungen.
Eigentliche zeichnerische oder graphische Verfahren werden wir
aber nur in bescheidenem Umfange benutzen. Ausführlichen Unter
richt darüber muß man in den Lehrbüchern der darstellenden Geo
metrie und der graphischen Statik suchen.
Damit sich nun der Leser in der großen Lehrbücherliteratur
zurechtfinde, erklären wir hier noch ganz knapp und bloß vorläufig
und demnach auch nur unvollkommen einige Kunstausdrücke. Das
Verfahren, geometrische Untersuchungen durch rechnerische Methoden
durchzuführen, nennt man die analytische Geometrie. Wie man
mit sogenannten unendlich kleinen Größen zu rechnen hat, lehrt die
Infinitesimalrechnung. Gerade ihrer Entwicklung ist zu nicht
geringem Teile der großartige Aufschwung der Naturwissenschaften
seit dem siebzehnten Jahrhundert zu danken, seitdem die Natur
forscher von der bloß qualitativen Erfassung ihrer Aufgaben (der
Frage nach dem „wie“) zur quantitativen (der Frage nach dem
„wieviel“) übergingen. Bei den verwickelten Beziehungen nämlich,
die zumeist in den Naturerscheinungen Vorkommen, muß sich der
Forscher häufig damit begnügen, zu erkennen, welcher Einfluß auf
die Ergebnisse geübt wird, wenn er einige Bedingungen oder Vor
aussetzungen seiner Versuche nur außerordentlich wenig abändert.
Dagegen ist es ihm oft nicht möglich, ohne weiteres die Tragweite
solcher Abänderungen zu erkennen, die beträchtlich sind. Hier ist
vielmehr das Hilfsmittel anzuwenden, das die Infinitesimalrechnung
darbietet, die den Zusammenhang zwischen unendlich kleinen und
beträchtlichen Änderungen zu erkennen gestattet. Auch das Um
gekehrte ist häufig der Fall: Oft kann der Forscher nur solche
Einflüsse beobachten, die durch beträchtliche Abänderungen der
Voraussetzungen seiner Versuche ausgelöst werden. Andererseits
aber ist es ihm klar, daß sehr vielen Naturerscheinungen ein ge
wisser großer Zug der Stetigkeit innewohnt, d. h. daß sich jene
beträchtlichen Abänderungen als eine Summe von lauter sehr kleinen