Full text: Differentialrechnung (1. Band)

Kap. VII. Theorie der ebenen Kurven 
Die homogenen Koordinaten sind aus verschiedenen Gründen 
nützlich. Einen Grund liefert die sogenannte projektive Geo 
metrie, in der das Bedürfnis vorliegt, auch die unendlich fernen 
Punkte der Ebene analytisch zu behandeln. Man kann dabei 
— um dies nur ganz kurz auszuführen — von der Bemerkung 
ausgehen, daß ein Punkt (x, y) auf der Geraden 
ax -f by -f- c = 0 
ins Unendlichferne kommt, wenn x | über alle Grenzen wächst, 
wobei im allgemeinen auch y | über alle Grenzen wächst. Man 
darf aber mit -f- oo und — oc nicht wie mit Zahlen rechnen; 
daher ist hier die Einführung von homogenen Koordinaten 
nützlich, denn wenn wir x durch x x : x 3 und y durch x 2 : x 3 
ersetzen, wird die Gleichung der Geraden diese: 
ax 1 -j- bx 2 + cx 3 = 0, 
wo die linke Seite eine ganze lineare homogene Funktion von 
x x , X 3 ist. Der Punkt (x, y) oder (x t : x 2 : x 3 ~) liegt un 
endlich fern, wenn x 3 = 0 ist. Alsdann gibt die Gleichung 
ax x + bx 2 = 0 oder x x : x 2 = — b : a. Mithin sagt man, daß 
(— l): a: 0) der unendlich ferne Punkt der Geraden ax -f by c = 0 
sei. Dabei stellt man allerdings das Axiom auf, daß jede Ge 
rade in der Ebene nur einen unendlich fernen Punkt habe. 
Die homogenen Koordinaten x 1} x 2 , x 3 haben also den Vorzug, 
daß sie, sobald x 3 = 0 ist, zu den unendlich fernen Punkten 
der Ebene gehören, mithin trotz der unendlich fernen Lage 
der Punkte endlich bleiben. 
Die homogenen Koordinaten haben außerdem den Vorzug, 
daß mit ihrer Hilfe manche Formeln symmetrischer und über 
sichtlicher werden als mit Hilfe gewöhnlicher Koordinaten. 
Man sieht dies schon an der Gleichung der Geraden, die in 
der Form ax 1 -f- bx 2 + cx 3 = 0 symmetrischer ist als in der 
Form ax -\-by-\- c = 0. Wenn wir die Koeffizienten a, b, c mit 
«i, a 2 , a 3 bezeichnen, können wir die Gerade a x x-\- a<,y -f- a 3 = 0 
in homogenen Koordinaten in der knappen Form 
a.x, = 0
	        
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