Full text: Von Zahlen und Zahlworten bei den alten Ägyptern

7. Das Ordinalzahlwort benannt nach der vorhergehenden Kardinalzahl. 
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zahl genannt war, wie neben einem Stammbruch sein Komplementbrach. 
Sie stellt gegenüber allen andern Ausdrucksformen für das Ordinalzahl- 
wort aber unzweifelhaft etwas sehr Primitives dar. Sie ist gewiß als die 
allerälteste Stufe in der Entwicklung der Ordinalia anzusehen und reprä 
sentiert eigentlich noch den Urzustand, in dem es die Sprache noch nicht 
zur Bildung eigener Ausdrucksformen für die Ordinalia gebracht hatte. 
Freilich kann man dasselbe in gewissem Sinne auch noch von der ägyp 
tischen Ausdrucksform mit mh „füllend“, wie von allen entsprechenden 
Bildungen anderer Sprachen, z. B. der der Berbersprachen und von der 
Gazellehalbinsel sagen, die doch schon auf einer höheren Stufe zu stehen 
scheinen. Der wesentliche Unterschied ist aber der, daß dort die Idee vom 
Entstehen einer neuen Zahl, die um eins höher ist, als die gegebene, über 
haupt noch ganz fehlt; während sie, wie wir sahen, dem ägyptischen 
Ordinalzahlausdruck, wie dem der meisten entwickelteren Sprachen, geradezu 
zugrunde lag. 
Bemerkenswert ist, worauf mich R. Pietschmann hin weist, daß die 
mit der Aymara-Sprache auf das Engste verwandte Khetschua-Sprache, 
die alte Schriftsprache des Inkareiches, jene primitive Ausdrucksform für 
die Ordinalzahlen aufgegeben und durch eine andere ersetzt hat, die der 
ägyptischen mit -nw und den entsprechenden hebräischen und indogermani 
schen Bildungen mit nominalen Ableitungsendungen näher kommt. Diese 
besteht darin, daß man der im Ordinalzahlwort auszudrückenden Zahl 
selbst, nicht der vorhergehenden, die Postposition neken „zu“, „gegen“, 
„nach“ anhängt, die die Richtung auf etwas bezeichnet, kimsa-neken „zu 
drei“ bedeutet also „der dritte“*). 
Dieser Ausdruck entspricht in Form und Bedeutung genau dem 
berberischen Ausdruck, der mit der Präposition s „zu“ gebildet wurde 
(S. 125). AVas er enthält, läuft durchaus auf dasselbe hinaus, was oben als 
Bedeutung für die ägyptisch-semitisch-indogermanischen Ordinalzahlworte 
mit nominaler Ableitungsendung ermittelt wurde, die ja augenscheinlich 
die Zugehörigkeit zu der betreffenden Zahl auszudrücken schienen. 
Daß der im Hochgebirge gesprochene Zweig der Sprache (Aymara) 
ein altertümlicheres Gepräge zeigt, als der zur Kultur- und Schriftsprache 
gewordene andere Zweig (Khetschua), ist das Natürliche. 
Als eine Parallele zu den oben angeführten primitiven Ausdrucks 
formen der Galla-, Neu-Lauenburg- und Aymara-Sprache, die die Ordinalia 
als das auf eine Zahl Folgende bezeichnen, kann gewissermaßen das 
lat. secundus angesehen werden, das den „zweiten“ als den auf den ersten 
(vgl. das naira-kharu der Aymara-Sprache) oder einen „folgenden“ bezeichnet. 
*) v. Tschudi a. a. 0. S. 284. 
Schriften der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg XXV. 
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