1. Die Ziffern.
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Tagesdaten im Hieratischen und Demotischen, wie in den hieroglyphischen
Inschriften der älteren Zeit 1 ).
Von diesen 7 Zeichen, durch deren Zusammensetzung und Wieder
holung alle Zahlen, die im Leben des alten Ägypters vorkamen, ausgedrückt
werden konnten, ist das erste, der einfache Strich, die natürliche Bezeich
nung für die Einer, die man überall auf der Erde wieder antrifft. Da die
Grundzahl des Zahlensystems, die Zehn, auf der Zahl der Finger beruht,
so wäre es nicht undenkbar, daß jener Strich, der die Einer bezeichnet,
im letzten Grunde auf eine primitive Andeutung des einzelnen Fingers
zurückgehe. Nannten doch die Römer nach dem Zeugnis des Boethius die
Zahlen von 1 bis 9 in der Tat digiti, und danach nennen noch heute die
Engländer die Einer digits 2 ). Vielleicht hat man in diesem Sinne auch das
von Suidas 3 ) zitierte dunkle Wort eines Persers Orontes zu deuten, der
gesagt haben soll, der kleinste Finger bezeichne sowohl 10000 (vgl. das
äg. Zeichen für diese Zahl) als 1.
Die übrigen Zahlzeichen, die wir im Verhältnis zu diesem Einerstrich
als jünger ansehen müssen, scheinen zu ihrer Rolle als Ziffer sämtlich aus
phonetischen Gründen berufen worden zu sein. Man schrieb die betreffenden
Zahlen mit den Bildern solcher Worte, die die gleichen Konsonanten ent
hielten, wie man das auch mit andern Worten und Konsonantenfolgen tat,
die man phonetisch schreiben wollte. Natürlich beruht die dem zugrunde
liegende Übereinstimmung im Konsonantismus ihrerseits nicht selten auf
einem etymologischen Zusammenhang beider Worte. Dies ist z. B. sicher
‘) Zum Verständnis sei hier für nicht-ägyptologische Leser folgendes bemerkt: Die
Hieroglyphenschrift, die älteste Form der altägyptischen Bilderschrift (richtiger: Schrift
aus Bildern), die die Gestalt der Gegenstände deutlich erkennbar bewahrt, ist nur die
Schrift der Denkmäler (aus Stein, Holz, Metall) und daher meist eingemeißelt. Das Hieratische
und Demotische ist dagegen die aus dieser Bilderschrift hervorgegangene Kursive, die im
praktischen Leben beim Schreiben auf wirklichem Schreibmaterial (Papyrus, Leder, Holz
tafeln, Steinsplitter oder Topfscherben, d. i. das sogen. Ostrakon) gebraucht wird. Hieratisch
nennt man dabei die ältere Form dieser Schreibschrift bis zum 8. Jh. vor Chr., demotisch,
die jüngere, von da an bis zum Aufhören des heidnisch-ägyptischen Schrifttums. Das
Koptische ist die mit griechischen Buchstaben, unter Hinzunahme einiger Zeichen aus der
demotischen Schrift (uj = i, q = /■,£ = &, ¡6 = h, •x = dj, & — c, = ti), geschriebene
Sprache der christlichen Ägypter, die uns in diesem Gewände vom 3. Jh. nach Chr. an ent
gegentritt, als lebende Sprache vor einigen Jahrhunderten abgestorben ist, aber noch heute
als offizielle Kirchensprache der christlichen Ägypter (sogen. Kopten) ein Scheindasein führt.
Die altägyptische Schrift wurde derart geschrieben, daß die Bilder nach rechts blicken
und die Worte von rechts nach links gelesen werden. Die hieroglyphische Schrift, die ja
die Gestalten der Bilder deutlich bewahrt, wird indes aus dekorativen und andern Gründen
auch oft umgedreht, sodaß die Schriftrichtung dann die gleiche wie in unserer Schrift ist.
Unsere hieroglyphischen Drucktypen weisen diese umgekehrte Dichtung auf. Daher hat man
sich ein in Typen gedrucktes hieroglyphisches Zeichen, wenn man es mit den entsprechenden
hieratischen und demotischen Zeichenformen vergleichen will, stets umgedreht zu denken.
2 ) Cantor, Gesch. der Mathematik 3 I S. 583.
3 ) s. ÄpßaZdKioq.