Full text: Grundbegriffe und Grundprobleme der Korrelationstheorie

26 Drittes Kapitel: Stochastische Verbundenheit [§ 2 
vorausgesetzt haben. Dann kommen wir auf den funktionellen Zu 
sammenhang zwischen Siedetemperatur einerseits und den beiden sie 
bestimmenden Faktoren anderseits. Es läßt sich aber denken, daß diese 
näheren Bestimmungen in einer Weise gestaltet werden, welche die Kon 
zentration der Lösung als eine zufällige Variable mit einem bestimmten 
Verteilungsgesetze erscheinen läßt. Wenn man etwa nach der Siede 
temperatur unter dem atmosphärischen Druck einer der Vorratskammer 
des Laboratoriums wahllos entnommenen Kochsalzlösung fragt, so ist 
die Frage wissenschaftlich wertlos, aber durchaus nicht sinnlos, voraus 
gesetzt, daß die Vorratskammer eine Anzahl von Gefäßen mit Koch 
salzlösungen verschiedener Konzentration enthält. Die Antwort wird 
dann eben zu lauten haben: die Siedetemperatur ist eine zufällige 
Variable mit folgendem, genau anzugebenden Verteilungsgesetze. Und 
wissenschaftlich wertlos erscheint eine solche Fragestellung durchaus 
nicht unter allen Umständen. Man braucht sich nur an Beispiele der 
wahllosen Entnahme von Proben aus der Vorratskammer der Natur zu 
erinnern. Zufälligen Variablen solchen Ursprungs begegnet man weit 
häufiger, als es auf den ersten Blick der Fall zu sein scheint: vielfach 
sind sie nämlich nicht leicht als solche zu erkennen. Das Atomgewicht 
des Bleies wird z. B. von den Chemikern ohne Zögern genau so wie das 
Atomgewicht eines chemischen Elementes angegeben. Man weiß je 
doch heutzutage, daß das Blei mit diesem Atomgewichte ein Gemisch 
von Substanzen mit verschiedenen Atomgewichten ist, welche zwar in 
der Erdrinde in einer recht gleichmäßigen Mischung Vorkommen, aber 
in den Laboratorien gegenwärtig auch getrennt erhalten werden. Das 
Atomgewicht des Bleies, das in den Tabellen der Chemiker verzeichnet 
ist, ist demnach eigentlich eine zufällige Variable derselben Art, wie die 
Siedetemperatur der dem Vorrat des Laboratoriums wahllos entnomme 
nen Salzlösung. Da jedoch die verschiedenen Bestandteile des als Blei 
bezeichneten Gemisches in der uns umgebenden Natur in wenig schwan 
kenden Proportionen durcheinander gemischt vorzukommen pflegen, 
so ist das Atomgewicht des Bleies innerhalb der Präzisionsgrenzen 
unserer Messungen von einer Konstante kaum zu unterscheiden. Die 
neuerlichen Fortschritte der Naturwissenschaften haben uns viele Bei 
spiele solcher als Pseudokonstanten verkleideten Durchschnittswerte 
der zufälligen Variablen vor die Augen geführt. 
Die klare Unterscheidung der Begriffe „stochastische Verbunden 
heit“ und „funktioneller Zusammenhang“ ist der erste Schritt zum Ver 
ständnis des Wesens der statistischen Korrelationsforschung in ihrem 
Unterschiede von der naturwissenschaftlichen Gesetzesforschung. Die 
naturwissenschaftliche Gesetzesforschung nimmt gelegentlich die For 
men des statistischen Verfahrens an, aber das verfolgte Ziel bleibt doch, 
den funktionellen Zusammenhang möglichst getreu darzustellen, wo 
gegen es sich bei der statistischen Korrelationsforschung stets darum 
handelt, die stochastische Verbundenheit zwischen den Variablen in
	        
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