74 Sechstes Kapitel: Schätzung apriorischer Größen [§ 1, § 2
hängigkeitsgesetz in einer den Forschungszwecken entsprechenden Weise
zusammenfassend kennzeichnen, vorzudringen vermag.
Dieses Problem in wissenschaftlich präziser Fassung gestellt und
unter Einschränkung auf einen Spezialfall gelöst zu haben, ist das un
sterbliche Verdienst J. Bernoullis. Die Lösung beruht auf dem Ge
setze der großen Zahlen, durch welches eine Brücke geschlagen wird
zwischen dem Diesseits der statistisch feststellbaren empirischen Zahlen
und dem Jenseits der ihnen zugrunde liegenden und der unmittelbaren
Erfassung in der Kegel unzugänglichen apriorischen Größen. Der Grund
gedanke des Gesetzes der großen Zahlen läßt sich in höchst mannigfal
tige Fassungen kleiden. Für unsere Zwecke erscheint am praktischsten,
von der Formulierung auszugehen, welche sich am einfachsten an
die berühmte Ungleichheit von Tchebycheff anschließen läßt. Man
nehme an, daß an einer zufälligen Variablen N gegenseitig unabhängige
Versuche ausgeführt werden; die Wahrscheinlichkeit dafür, daß die
Abweichung des arithmetischen Durchschnittes der zufälligen Werte,
welche die Variable bei diesen W-Versuchen annimmt, von der apriori
schen mathematischen Erwartung der Variablen kleiner als eine vor
gegebene, beliebig kleine Größe sein wird, nähert sich mit der Zunahme
der Versuchszahl N asymptotisch dem Grenzwerte 1; bei einer hin
reichend großen Zahl der Versuche darf man folglich annehmen, daß
die mathematische Erwartung der Variablen und der Durchschnitt ihrer
empirisch zufälligen Werte wenig voneinander ab weichen. Auf die
mathematischen Beweise der Sätze von Bernoulli und von Tcheby
cheff, sowie auf die komplizierten logischen Probleme, welche sich an
das Gesetz der großen Zahlen anschließen, können wir hier nicht ein-
gehen. Wir müssen uns auf die Verwertung des Gesetzes der großen
Zahlen zum Aufbau der Korrelationstheorie beschränken und die Art
und Weise ins Auge fassen, wie sich mit dessen Hilfe die Aufgabe lösen
läßt, die bei der Korrelationsforschung in Betracht kommenden un
bekannten apriorischen Größen auf Grundlage der dem Statistiker ge
gebenen empirischen Werte der Variablen zu schätzen. Das Gesetz der
großen Zahlen bildet zwar einen der wichtigsten prinzipiellen Grund
pfeiler der Korrelationstheorie wie der allgemeinen statistischen' Theorie
überhaupt. Die logische Analyse des Gesetzes der großen Zahlen ist
aber eben ein Problem der allgemeinen Theorie der Statistik und nicht
der Korrelationstheorie als solcher.
§ 2.
1. Bei der Schätzung der apriorischen Größen auf Grundlage der
empirischen Werte der Variablen kann man auf verschiedene Weisen
Vorgehen. Am nächstliegenden ist, zu folgendem Verfahren zu greifen.
Um den zahlenmäßigen Wert einer apriorischen Größe U, welche
vermittelst bekannter Formeln aus dem Abhängigkeitsgesetze abgeleitet
werden kann, näherungsweise zu schätzen, bildet man eine Funktion