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II. Projektive Geometrie.
=ABE = 0, so folgt (4) aus ABC=ABE = 0, daß auch BCE= 0,
aus ABT) = ABE= 0, daß auch BDE=0, aus BCE = BDE=0,
daß auch CI)E = 0, d. h. E ein Punkt von \CD\ ist.
6. Satz: Sind C und D zwei verschiedene Punkte von [AB],
dann ist jeder Punkt von [CD] auch Punkt von [AB].
Beweis: Nach 5 sind alle Punkte von [AB\, also speziell A und B
Punkte von [6*7)]; also nach 5, wenn A, B mit C, D vertauscht werden:
alle Punkte von [CD] auch Punkte von [ AB],
7. Definition: Zwei solche Geraden heißen „identisch“, [AB]
= [CD], sonst „verschieden“ [AB] 4= [CD].
8. Gr undsatz: Es gibt einen Punkt, der nicht zu der Geraden
gehört, welche durch die beiden nach 2 existierenden verschiedenen
Punkte bestimmt ist.
9. Def inition: Sind A, B, C irgend drei Punkte, für welche
ABC^=0 ist, so soll die Gesamtheit der Punkte D, für welche ein
Punkt E existiert, so daß ABE=CDE=0 ist, „Ebene“ {ABC}
heißen.
10. Satz: Es ist {ABC} = {BAC).
Beweis: Ist D ein Punkt von {ABC}, existiert also E derart,
daß ABE = CDE=0 ist, dann ist (nach 4) auch BAE = C DE = 0,
d. h. (nach 9) D ein Punkt von {BAC}.
11. Grundsatz: Existiert zu A, B, C, D ein Punkt E derart,
daß ABE = CDE = 0 ist, so existiert auch ein Punkt F derart,
daß ACF = BDF = 0 ist. Also existiert auch ein Punkt G derart,
daß BCG = ADG = 0 ist.*)
*) Dies ist der Satz, der in der Euklidischen Geometrie als Grundeigen
schaft der Ebene stillschweigend vorausgesetzt wird, wie schon Gauß hervor
hebt (Werke, Bd. VIII p. 162. 189. 194. 200. 224). Die Versuche von Wolfgang
Bolyai, Lobatschefsky und anderen, die Definition der Ebene auf die der Kugel
zu gründen, gehen auf Leibniz zurück (s. Leibniz’ Characteristica geometrica.
Math. Schriften hrsg. v. Gerhardt, Berlin 1849, Bd. 5). Eine solche Definition setzt
den Begriff des Maßes voraus, darf also bei einem reinen Aufbau der projek
tiven Geometrie nicht verwendet werden. Dasselbe gilt für diejenigen Defi
nitionen der Ebene, die den rechten Winkel verwenden (Deahna, Demonstratio
theorematis, esse superficiem planam. Dissert. inaug. Marburg 1837. Grelle,
J. f. Math. 45 p. 15. Gerling, J. f. Math. 20 p. 332. Erb, Die Probleme der Ge
raden usw., Heidelberg 1846. Duhamel, Des methodes dans les Sciences de
raisonnement 1866. De Tilly, Mein. cour. Bruxelles 1870, Bull, de l'Ac. Roy. de
Belgique [2] 30 [1870] p. 28, 36 p. 124, [3] 14 [1887], Bull, de Darboux III [1872]
p. 131. Essai sur les princ. fond. de la geom. et de la mec. Bordeaux 1879).
Graßmanns Meinung (s. Werke I, p. 64*)), daß mit der Schwierigkeit der De
finition der Ebene zugleich die des Pdiallelen-Axioms überwunden wäre, ist irrig.
Dagegen ist nach Annahme des Parallelen-Axioms die Existenz der Ebene be
weisbar (s. Veronese, Grundzüge der Geometrie p. 332, p. 417 Anm.).