Vorrede des Verfassers.
Der lebhafte Streit um die Geometrie von mehr als drei Dimensionen
zwischen Mathematikern und zwischen Mathematikern und Philosophen, welcher
unsrer Ansicht nach hauptsächlich hervorgerufen wurde einerseits durch die
rein analytische Methode, mit welcher man die Geometrie behandelte und dann
durch die Vertauschung der abstracten oder numerischen Mannigfaltigkeiten von
n Dimensionen mit den eigentlich so genannten geometrischen Räumen; der
allgemeine Glaube, in der Betrachtung dieser Räume sei immer ein analytischer
Begriff verborgen und man könne diese Räume nur mittelst der Analysis 1 )
sicher behandeln; die daraus folgende Verwirrung bezüglich des Begriffes des
Raums und mithin auch des Wesens der Geometrie selbst, hatten uns schon
1882 davon überzeugt, dass ein Buch bestimmt auf elementare Art darzuthun,
wie die Geometrie der Räume von mehr als drei Dimensionen als reine Wissen
schaft vollkommen analog derjenigen der Ebene und des gewöhnlichen Raums
entwickelt werden kann, von Nutzen und Bedeutung sein würde, theils um den
rein geometrischen Begriff solcher Räume zu wahren und das Studium dieser
Geometrie zu erleichtern und zu verbreiten, theils um die Behauptung besser
zu begründen, dass die Geometrie von mehr als drei Dimensionen unabhängig
von ihren Anwendungen auf den gewöhnlichen Raum ist. 2 )
Hätten wir die Geometrie des gewöhnlichen Raums als bekannt voraus
setzen können, so hätte die Arbeit weit weniger Schwierigkeit gemacht. Das
konnten wir aber nicht aus zwei Gründen: erstens, weil wir auf die’ersten
Begriffe der Geometrie zurückgehen mussten, um stufenweise den Begriff der
1) „Der Begriff von Raumgebilden, die der gewöhnlichen Anschauung nicht entsprechen
sollen, kann nur durch die rechnende analytische Geometrie sicher entwickelt werden“
(v. Helmholtz: Die Thatsachen in der Wahrnehmung. S. 24. Berlin 1879).
„Es gibt Leute, welche glauben es werde gelingen von analytischen Begriffen und der
Benutzung der Coordinaten sogar die Definition der Räume von n Dimensionen zu befreien“
(D'Ovidio: Uno sguardo all’ origine e allo sviluppo della matematica pura. S. 58. Turin 1889).
2) Auf diese Arbeit haben wir in einer Anmerkung zu unsrer Abhandlung „La super-
ficie omaloide normale del 4° ordine a due dimensioni dello spazio a cinque dimensioni,
e le sue proiezioni nel piano e nello spazio ordinario“ (Atti della R. Acc. dei Lincei. 1884)
hingewiesen; ebenso auf einen Cursus von Vorlesungen, welche wir an der Universität zu
Padua über diesen Gegenstand hielten und welche sich dann in den folgenden Jahren über
die Hauptpunkte dieses Buchs verbreiteten. Das Manuscript zu dem vorliegenden Buch
wurde der Königl. Acc. dei Lincei 1889 überreicht; wir haben aber besonders im Anhang,
welcher zuletzt gedruckt wurde, die Arbeiten, welche nach 1889 über diesen Gegenstand
veröffentlicht wurden, noch möglichst berücksichtigt.