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Historisch-kritische Untersuchungen über die Principien der Geometrie.
unbestreitbar wahre und miteinander vereinbare Grundlagen zu stellen und seine
Methode loben, die den Zweck hat, die Axiome in einfache Theile zu zerlegen,
wenn er fieilich auch die Gründe nicht angibt, wesshalb er sie für unabhängig
voneinander hält. Ferner sind in seinem Buch besonders die Kapitel über den
projectiven Zusammenhang und die Darstellung der Punkte der Graden und der
anharmonischen Verhältnisse durch Zahlen von Wichtigkeit; eine Theorie, mit
welcher sich auch Be Paolis beschäftigt hat. 1 ) Das Buch von Pasch ist sowohl
wegen der Strenge seiner Beweise als wegen der rein elementaren und geo
metrischen Methode, welche er anwendet, als ein wesentlicher Beitrag zur För
derung der Frage der Principien der projectiven Geometrie zu betrachten.
Ein neuer Weg wurde diesen Untersuchungen kurz nach Riemann von
H. v. Helmholtz, einem der grössten Denker dieses Jahrhunderts, in seiner
Abhandlung „Fieber die Thatsachen, die der Geometrie zu Grunde liegen“, ge
wiesen. J ) Von einem anschaulicheren Standpunkt als Riemann ausgehend, stellte
er vier Axiome auf, welche fiir sämmtliche drei Systeme der Geometrie und für
die Mannigfaltigkeiten von n Dimensionen, die er Räume nennt, gelten. Er ent
wickelt dann freilich seine Hypothesen in dem Raum von drei Dimensionen. Die
erste Hypothese lautet:
„Der Raum von n Dimensionen ist eine n fach ausgedehnte Mannigfaltig
keit, das heisst, das bestimmte Einzelne in ihm der Punkt, ist bestimmbar
durch Abmessung irgend welcher, continuirlich und unabhängig voneinander
veränderlicher Grössen (Coordinaten), deren Anzahl n ist. Jede Bewegung eines
Punktes ist daher begleitet von einer continuirlichen Aendermig mindestens
einer der Coordinaten. Sollten Ausnahmen Vorkommen, wo entweder die Aen-
derung discontinuirlich wird, oder trotz der Bewegung gar keine Aenderung
sämmtlicher Coordinaten stattfindet, so sind diese Ausnahmen doch beschränkt
auf gewisse durch eine oder mehrere Gleichungen begrenzte Orte (also Punkte,
Linien, Flächen u. s. w.), die zunächst von der Untersuchung ausgeschlossen
sein mögen.
Zu bemerken ist, dass unter Continuität der Aenderung bei der Bewegung
nicht nur gemeint ist, dass alle zwischen den Endwerthen der sich ändernden
Grössen liegenden Zwischenwerthe durchlaufen werden, sondern auch dass die
Differenzialquotienten existiren.“
Dies ist die erste Hypothese von Helmholtz. Der Unterschied ist nur der,
dass hier die Idee der Bewegung auftritt, wie man gleich besser sehen wird.
Helmholtz gibt nicht die Erzeugung der Mannigfaltigkeit, sondern lässt sie ohne
Weiteres von dem Zusammenhang mit dem Zahlencontinuum abhängen.
Die zweite Hypothese setzt die Existenz fester und beweglicher Körper voraus
d. h. solcher Körper, welche während der Bewegung unverändert bleiben, wie
es, sagt er, nöthig ist, um die Raumgrössen mittelst der Congruenz vergleichen
zu können. Er gibt die folgende Definition eines testen Körpers: 1 2
1) Sui fondamenti u. s. w. a. a. 0.
2) Gott. Nachr. 1808 oder Wissensch. Abh. Bd. II, S. 018.
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