Full text: Grundzüge der Geometrie von mehreren Dimensionen und mehreren Arten gradliniger Einheiten in elementarer Form entwickelt

leliei die Definitionen von Winkel zweier Strahlen oder zweier Graden u. s. w. 695 
Note III. 
Ueber die Definitionen von Winkel zweier Strahlen oder zweier Graden, 
welche einen Punkt gemein haben. 
Die Definition des Winkels hat den Autoren, welche über die Elemente 
schrieben, mit am meisten zu denken gegeben und unsrer Ueberzeugung nach 
verbannen wollen. Uebrigens tritt, wie er sagt, die Bewegung unbewusst und gegen ihren 
Willen bei allen Autoren auf und es ist schwierig einen einzigen Beweis eines Grundsatzes 
der Geometrie zu finden, in welchem sich nicht die Idee der Bewegung verbirgt. Auch 
wir haben von der Einleitung (§ 67) an die Sprache der Bewegung der grösseren Bequem 
lichkeit wegen benutzt, jedoch immer mit den gehörigen Vorsichtsmassregeln und der 
Erklärung, was wir mit ihr sagen wollten. Hoiiel hat in der That nicht angegeben, wer 
diese Mathematiker sind, die sich vorgenommen haben, das Princip der Bewegung von den 
Elementen der Geometrie auszuschliessen und denen dies nicht gelungen ist. Man schreibt 
diese Absicht den Alten zu; wir haben aber keinen unter ihnen finden können, der aus 
drücklich dieses Princip von den Elementen hätte ausschliessen wollen. 
B. Erdmann (a. a. 0.) und Lindemann (a. a. 0. S. 556) versichern, Legendre und 
Bolyai hätten diesen Versuch gemacht. Sie geben jedoch die betreffenden Stellen nicht 
an, an welchen diese Absicht ausgesprochen wird; für uns steht das Gegentheil fest, weil 
Legendre ausdrücklich das Princip der Bewegung in dem Axiom V seiner Elements ein- 
schliesst und es benutzt, wie auch Johann und Wolf gang Bolyai in den Büchern, die wir 
kennen, davon Gebrauch machen. 
B. Erdmann (a. a. 0. S. 148) ist der Ansicht, ohne sie zu beweisen, dass die mathe 
matische Untersuchung der Beziehungen der Congruenz die Notli wendigkeit des Begriffs 
der Bewegung gezeigt habe. Er beruft sich dabei auf Helmholtz und Hoiiel, welche ihrer 
seits diese Nothwendigkeit nicht bewiesen haben. Die rationalen Philosophen bestreiten 
dagegen im Allgemeinen diese Nothwendigkeit und haben geometrisch Recht. Sie sind 
freilich nie durch geometrische Entwicklungen zu diesem Schluss gekommen. Wir dagegen 
behaupten nicht, dass sie philosophisch im Recht sind, da der Ausschluss der Bewegung 
aus der theoretischen Geometrie Nichts gegen ihren empirischen Ursprung beweist 
Obgleich Euclid stillschweigend das Princip der Bewegung ohne Deformation benutzt, 
so hat er doch das Bestreben, wo er kann, ohne es auszukommen. Er beweist z. B. ohne 
dieses Princip, dass zwei Dreiecke, welche eine Seite und die zwei anliegenden Winkel 
gleich haben, einander gleich sind und gibt die Construction zweier gleicher Dreikante, 
welche sowohl für zwei congruente als für symmetrische Dreikante gilt {Ed. Heiberg). 
Euclid sagt wohlgemerkt nicht, wenn zwei Figuren in dem gewöhnlichen Raum sich nicht 
aufeinander legen Hessen, so wären sie nicht gleich; es ist nur zu bemerken, dass er nicht 
klar ausgedrückt hat, was er unter gleichen Figuren versteht, da das Ax. VIII: Dinge, 
welche zusammenfallen, sind gleich, eine klare Vorstellung von dem, was Euclid hat sagen 
wollen, nicht gibt. Lindemann (a. a. 0. S. 556) legt dieses Axiom in dem Sinn des Prin- 
cips des Aufeinanderlegens aus; es kann jedoch und muss nach unsrer Ansicht anders 
ausgelegt werden, da es sich um beliebige Hinge und gewöhnliche Begriffe handelt. 
Jedenfalls ist aus den erwähnten Gründen die Behauptung gewagt, Euclid und Helm 
holtz seien in dieser Beziehung einer Meinung gewesen, da vielmehr aus dem Obigen das 
Gegentheil hervorgeht, wenn auch Euclid in der ebenen Geometrie und mehr noch in der 
Geometrie des Raums das Princip des Aufeinanderlegens in dem gewöhnlich verstandenen 
Sinn angewendet hat. 
Legendre macht ausdrücklich von dem Princip der Bewegung Gebrauch; er unter 
scheidet aber zwischen der Gleichheit durch Symmetrie und derjenigen durch Congruenz, 
wenn er zu den beiden Dreikanten kommt, welche dieselben Elemente haben aber nicht 
aufeinandergelegt werden können. Aber auch ihm lassen sich dieselben Bemerkungen 
machen; denn er setzt nicht. genau fest, wann zwei Dreikante durch Congruenz oder durch 
Symmetrie gleich sind. Dass man einfach, wie er, sagt, die Seiten seien auf dieselbe Art 
angeordnet oder, wie Andre sagen, ähnlich gelegen, bedeutet Nichts.und sein Beweis, dass 
zwei Dreikante, wenn sie so genannt werden, zusammenfallen, ist nicht bindend. Mit 
andern Worten, er definirt die Lichtungen oder den Sinn der Figuren im Raum nicht 
Andre Autoren unterscheiden diese doppelte Gleichheit; z. B. Möbius (Baryc. Calcül. 
Leipzig, 1827. S. 182), ebenso Beltrami (Teor. gen. u. s. w. S. 238). Besonders bei Beltrami fällt
	        
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