§ 2. Projektive Behandlung der Parallelen.
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Liegen zivei Paare absolutpolarer Geraden auf einer Regelschar, so
sind sie sämtlich untereinander parallel.
Fragen wir nun nach der Gesamtheit der Geraden, die zu einer Ge
raden a und ihrer absoluten Polaren a parallel sind, so können wir die
Antwort zunächst so formulieren: Per Ort der Parallelen zu zwei absolut
polaren Geraden a, a ist identisch mit dem Ort derjenigen Geraden, welche
die absoluten Involutionen senkrechter Ebenen in den Ebenenbüscheln (a)
(aj in Perspektivität setzen, d. h. welche von den beiden Ebeneninyolutionen
in ein und derselben Punktinvolution geschnitten werden. Die Beant
wortung dieser Frage ist in der v. Staudt-Lürothschen Theorie der
Strahlennetze mit imaginären Leitgraden enthalten. 1 )
8. Strahlennetz und windschiefe Involution. Wir bringen
einige Sätze über die windschiefe Kollineation und das Strahlennetz in
Erinnerung. Es gibt bekanntlich räumliche Kollineationen, in welchen
die Verbindungsgeraden entsprechender Punkte nicht wie im allgemeinen
Falle einen tetraedralen Komplex, sondern nur eine lineare Kongruenz,
ein Strahlennetz, erfüllen, man nennt sie windschiefe Kollineationen. Jeder
Strahl des Netzes trägt eine Projektivität entsprechender Punkte und
eine Projektivität entsprechender Ebenen. Die Ebenenprojektivität um
jeden Strahl schneidet in alle anderen Netzstrahlen die Punktprojektivität
ein; die Punktprojektivität auf jedem Strahl projiziert sich von allen
anderen aus durch die zugehörige Ebenenprojektivität. Jedes Strahlennetz
ist auf diese Weise Träger von oo 1 windschiefen Kollineationen. Unter
ihnen ist eine involutorische enthalten, eine windschiefe Involution. Die
Doppelelemente der von den Netzstrahlen getragenen Punktinvolutionen
sind die Stützpunkte auf den Leitgeraden.
Auf v. Staudt geht der Gedanke zurück die imaginären Leitgeraden
eines elliptischen Strahlennetzes durch die von ihm getragene stets reelle
windschiefe Involution zu repräsentieren.
Wenn von einer windschiefen Involution die Ebeneninvolutionen um
zwei windschiefe Geraden gegeben sind — sie müssen aber gleichartig, d. h.
beide hyperbolisch oder beide elliptisch sein — so ist die windschiefe In
volution dadurch zweideutig bestimmt.
Zum Beweise werden wir nach dem Ort der Strahlen fragen müssen,
welche von den beiden Ebeneninvolutionen in derselben Punktinvolution
geschnitten werden; also genau die Frage, auf welche wir durch die
1) v. Staudt, Beiträge zur Geometrie der Lage. Heft 1. Nürnberg 1857, p. 77.
N. 117. — Lüroth, Math. Ann. 8, p. 157. — Unsere Darstellung schließt sich an
an Sturm, Die Gebilde ersten und zweiten Grades der Liniengeometrie, I. 1892,
p. 118ff.