IX. Kapitel.
Grenzwerte. Unendlich kleine Größen.
Bestimmtes Integral. Reihen.
§ 1. Grenzwerte.
312. Das Wort Grenzwert ist selir oft im Laufe dieses Werkes
gebraucht worden, und zwar in einer Bedeutung, die für jeden einzelnen
Fall verdeutlicht werden mußte. Die Bedeutung, die man diesem
Worte in der Geometrie beilegt, wollen wir übergehen. Dort ge
braucht man oft die Ausdrucks weise: eine veränderliche Figur (F)
hat unter gewissen Bedingungen als Grenzwert eine unveränderliche
Figur (F 0 ). Handelt es sich um Zahlen, so versteht man unter
Grenzwert einer veränderlichen Zahl A immer eine unveränderliche
Zahl A 0 , welcher die veränderliche Zahl A sich unter immer näher
zu spezifizierenden Bedingungen unendlich nähert: unter diesen Be
dingungen wird der Unterschied A 0 — A beliebig klein an absolutem
Wert; er ist selbst eine veränderliche Zahl, die als Grenzwert die
feste Zahl 0 hat.
313. Gewöhnlich ist die Veränderliche A eine Funktion f(x)
einer gewissen Veränderlichen x; diese Veränderliche kann z. B. Werte
annehmen, welche beliebig nahe an eine feste Zahl x Q herankommen,
oder sie kann beliebig groß werden. Es können übrigens verschiedene
Fälle ein treten. Nimmt man z. B. den ersten Fall, so kann es Vor
kommen, daß die Veränderliche x sich dem Werte x 0 nähern kann
durch obere und untere Näherungswerte, durch obere oder untere
Näherungswerte; es kann auch der Fall ein treten, daß x nur bestimmte
Werte, etwa x 0 -J- —, x 0 -j- ^ , annehmen kann (wobei n eine beliebig
große, natürliche Zahl bedeutet). Im besonderen ist es möglich, daß
die Funktion f(oc) nur für Werte dieser Form definiert sei. In jedem
Falle müssen die Werte, welche x bei seiner Annäherung an x 0 an
nehmen kann, spezifiziert werden; unerläßliche Bedingung, um von
Grenzwert reden zu können, ist aber jedenfalls, daß sich unter diesen
Werten deren befinden, die beliebig wenig von x Q verschieden sind.