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ÜBER DIE GEODÄTISCHEN LINIEN AUF DEM DREIAXIGEN ELLIPSOID.
Ich halte mich nicht für berechtigt, in Betreff der Zuverlässigkeit dieser Re
sultate von Schubert’s Arbeit ein Urtheil abzugeben,*) sondern habe sie nur
angeführt, weil ich durch sie veranlasst worden bin, die Theorie der geodä
tischen Linien auf dem dreiaxigen Ellipsoid wieder aufzunehmen und so weit
auszubilden, dass sich aucli für praktische Rechnungen brauchbare Methoden
daraus ableiten lassen. Hierzu habe ich mich um so mehr aufgefordert ge
fühlt, als die hauptsächlichsten noch zu erledigenden Aufgaben mit Hülfe
der Theorie der Abel’schen Functionen vollständig und einfach gelöst werden
können.
Jede kürzeste Linie einer Fläche kann bekanntlich betrachtet werden als
der Weg, den ein materieller Punkt durchläuft, welcher gezwungen ist, auf
der Fläche zu bleiben, aber von keiner beschleunigenden Kraft getrieben
wird. Die Coordinaten desselben zur Zeit t seien #, v/, z, so sind dieselben
eindeutige Functionen von zu deren Bestimmung man, wenn
F(x, y, e) = 0
die allen Punkten der Fläche gemeinsame Gleichung ist, die Differential-
Gleichungen
d 3 x m ä*y , d'e dF dF dF
dt 2 ’ dt 3 ' dt 3 dx * dy de
hat. Für eine Fläche zweiter Ordnung, deren Gleichung
ist, kann man also setzen
x 3 y e 3
f "I
a ß y
1
d 3 x _ ex d 3 y _ ey d 3 e
dt 2 — « ’ ~dF jp ~W
wo e eine noch unbekannte Function von t ist. Zur Integration dieser Diffe
rential-Gleichungen, welche zuerst von Jacobi vermittelst der ihm eigen-
thümlichen Methoden der analytischen Mechanik ausgeführt worden ist, be
diene ich mich eines Verfahrens, welches den Vortheil hat, dass dabei keine
*) Erst nachdem diese Notiz bereits in der Akademie gelesen war, bin ich durch Herrn Encke auf
eine spätere, mir nicht zu Gesicht gekommene Abhandlung Schubert’s (in den Astron. Nachrichten, No. 1303)
aufmerksam gemacht worden, in welcher er die Differenzen der verschiedenen Gradmessungeu durch eine
andere Hypothese auszugleichen versucht hat.