Full text: Mathematische Statistik und deren Anwendung auf National-Ökonomie und Versicherungs-Wissenschaft

haftem Werthe und ungeeignet zu einer daran zu knüpfenden mathematischen Unter 
suchung, wie unten ausführlicher gezeigt werden soll. Ja, um bei dem Vergleiche stehen 
zu bleiben, man kann sagen, es fehle selbst noch ein C operili eus, der nur erst ganz 
im allgemeinen ein Bild dessen vorzeichnet, worauf die Beobachtung ihr Augenmerk zu 
richten hat. Die Statistik befindet sich heute genau noch auf derselben Stufe der 
Kindheit wie die Astronomie zu jener Zeit, wo sie nur Astrologie war und das Horoskop 
stellte. Es kommt noch alle Tage vor, dass man mit statistischen Zahlen beweist, was 
man will; dazu ist nur eine gewisse Geschicklichkeit erforderlich, für welche man in 
Frankreich das Kunstwort grouper les nombres erfunden hat.*) Dies wird besser werden, 
sobald die Mathematik mit ihrer unerbittlichen Evidenz sich des statistischen Materials 
bemächtigt haben wird. Insbesondere ist es die Wahrscheinlichkeitsrechnung, die hier 
zur Anwendung kommen muss, und zwar nicht etwa in der von den Statistikern beliebten 
Interpretation, nach welcher sie eine Rechnung sein soll, die ungenaue Resultate liefert, 
im Gegensätze zu einer genauen Rechnung; sondern jene geistreiche und an Evidenz 
allen andern Theilen der Mathematik durchaus gleichstehende Disciplin, welche durch 
Laplace und Gauss zu einer so glänzenden Entwickelung gebracht worden ist. Erst 
in dieser Verbindung wird die Statistik zu einer Wissenschaft in der vollen Bedeutung 
des Worts emporwachsen, und erst aus dieser Verbindung werden vollkommen brauchbare 
und zuverlässige Resultate hervorgehen. Ja wir wagen es vorherzusagen, in einem 
künftigen Jahrhunderte wird die mathematische Statistik Probleme lösen, von deren 
blosser Aufstellung wir heute noch nicht eine Ahnung haben. 
Was hier von der Statistik im allgemeinen gesagt worden ist, das findet nicht 
in gleicher Weise auf alle einzelnen Theile derselben Anwendung; denn vorläufig ist es 
nur die Bevölkerungsstatistik, welche für eine mathematische Behandlung offenbare An 
knüpfungspunkte darbietet, während alle übrigen Theile einstweilen dahin gestellt bleiben 
müssen. In der Bevölkerungsstatistik sind nun in der Tliat schon einige Schritte 
geschehen, welche wie der Versuch eines Anfangs der mathematischen Statistik angesehen 
werden können; aber diese Schritte sind so wenig genügend, und entsprechen so wenig 
den Hülfsmitteln, welche die Analysis in ihrer gegenwärtig erreichten Höhe zu bieten 
vermag, dass man sie wie ungeschehen betrachten und die Untersuchung wieder ganz 
von vorn anfangen muss. 
Der erste und vornehmste Begriff, mit welchem (he mathematische Betrachtung 
der statistischen Data einer Bevölkerung anzuheben hat, ist der Begriff der Sterblichkeit; 
denn dieser Begriff spielt auch in alle anderen Beziehungen hinein, die man bei einer 
Bevölkerung zur Sprache bringen kann. Die Frage nach der Sterblichkeit einer gegebenen 
Bevölkerung, oder irgend einer beliebigen gegebenen Gesellschaft, hat man nun bereits 
durch die Aufstellung einer sogenannten Sterblichkeitstafel zu beantworten gesucht, 
welche die Absterbeordnung dieser Gesellschaft unter der Voraussetzung darstellt, dass 
die für einen Augenblick geltende Sterblichkeit in der Zukunft unverändert bleibe. 
*) Ein Beispiel statt vieler giebt S a y in seinem Traité d‘économie politique : 
Le ministre de l'intérieur en France, dans son exposé de 1813, à une époque de désastre, où le 
commerce était ruiné et les ressources, en tout genre, dans un déclin rapide, se vante d’avoir prouvé, par 
des ch iff r e s, que la France était dans un état de prospérité supérieur a tout ce qu’elle avait éprouvé 
jusque-là. 
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