Full text: Mathematische Statistik und deren Anwendung auf National-Ökonomie und Versicherungs-Wissenschaft

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würfe nicht frei; denn was über die Entstehung dieser Tafeln bekannt geworden ist, das 
entspricht keineswegs in ausreichender Weise den Anforderungen einer richtigen Theorie, 
Es kann nicht geleugnet werden, dass die Herstellung von Sterblichkeitstafeln, um 
welche schon die bisherige Statistik sich bemüht hat, insofern vollkommen gerechtfertigt 
erscheint, als eine Sterblichkeitstafel dasjenige, worauf es ankommt, in einer sehr anschau 
lichen und allgemein verständlichen Form ausdrückt und dadurch im besonderen Grade die 
Bewegung einer Gesellschaft in einem gegebenen Augenblicke charakterisirt. Aber es 
ist dies im Grunde doch nur eine populäre Form, die der Wissenschaft nicht genügen 
kann, und deshalb wurde auch schon von anderer Seite*) hervorgehoben, dass die 
Herstellung einer Sterblichkeitstafel nicht den Anfang der wissenschaftlichen Unter 
suchung bilden kann. Für den Fundamentalbegriff der theoretischen Bevölkerungs 
statistik, mit welchem die Bearbeitung des statistischen Materials anzuheben hat, muss 
man vielmehr den Begriff der Wahrscheinlichkeit zu sterben erklären, d. i. 
genauer der Wahrscheinlichkeit einer Person, w r elche einer bestimmten 
Personengruppe angehört, binnen Jahresfrist zu sterben. Diesen Begriff 
kennt die bisherige Statistik nicht, weil sie überhaupt, w r ie schon angedeutet, von der 
Wahrscheinlichkeitsrechnung nicht den richtigen Begriff hat, und mit ihm fängt also ein 
wesentlich Neues an. Man kann dafür nach Gefallen auch die Wahrscheinlichkeit 
nach Jahresfrist noch zu leben an die Stelle setzen, welche jene zur Einheit 
ergänzt. Ist die eine oder andere dieser beiden Wahrscheinlichkeiten für jedes Lebens 
alter bekannt, so bedarf es nur einer geringen Arbeit, um hinterher eine Sterblichkeits 
tafel herzustellen. 
Die analytischen Hülfsmittel, welche die anzustellende Untersuchung nothwendig 
macht, sind durch Laplace in der Théorie analytique des prohabilités bereits so voll 
ständig vorbereitet, dass es auffallen kann dieselben nicht früher auf den vorliegenden 
Fall angewandt zu sehen. Es muss jedoch zugestanden werden, dass erst in der jüngsten 
Zeit das Bedürfniss vollkommen rege geworden ist, indem verschiedene neuere Schriften 
sich an der Lösung der hier in Betracht kommenden Fragen versucht haben und in der 
Tliat successive einen Schritt weiter gelangt sind, ohne jedoch bis jetzt zu dem Kerne 
der Sache vorzudringen. Wir versuchen nun hier mit den angedeuteten Hülfsmitteln 
abermals einen Schritt weiter zu kommen, und bemerken über dasjenige, worauf es 
dabei zunächst abgesehen ist, Folgendes. 
Wenn von einer Gruppe von L Lebenden nach Ablauf eines Jahres LI Ueber- 
lebende geblieben sind, und im Laufe dieses Jahres ein Zu- oder Abgang in dieser 
Gruppe nicht stattgefunden hat (der eine eigene Untersuchung erfordern würde), so 
pflegt man bis jetzt zu sagen, die Wahrscheinlichkeit W nach Jahresfrist noch zu leben 
werde für Personen dieser Gruppe durch die Gleichung gegeben 
aber man vergisst auch nicht hinzuzufügen, dass wenn unter den gleichen Umständen andere 
*) Namentlich in F i s c h e r ’s „Grundzügen des auf die menschliche Sterblichkeit gegründeten 
Versicherungswesens“, Oppenheim 1860.
	        
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