Elektromagnetische Masse
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§ 16
ist aber für die Rückwirkuug auf das bewegte Elektron haupt
sächlich die Energie und die Bewegungsgröße des Feldes,
welches das Elektron unmittelbar umgibt, von Bedeutung.
Man gewinnt eine Vorstellung von der Art des Einflusses,
welchen das mitgeführte Feld auf die Bewegung des Elektrons
ausübt, indem man an die Analogie des elektrischen Leitungs-
stromes anknüpft.
Ein Leitungsstrom ist von einem magnetischen Felde um
geben, dessen Energie dem Quadrate der Stromstärke pro
portional ist. So erklärt es sich, daß dem Anwachsen der
Stromstärke eine „elektromotorische Kraft der Selbstinduktion“
entgegen wirkt, welche der zeitlichen Änderung der Strom
stärke proportional ist. Der Konvektionsstrom, den das bewegte
Elektron darstellt, erregt gleichfalls ein magnetisches Feld;
die magnetische Energie ist, bei langsamer Bewegung wenig
stens, auch hier dem Quadrate der Stromstärke proportional.
Da nun die Stromstärke in diesem Falle der Geschwindigkeit
des Elektrons proportional ist, so wird der elektromotorischen
Kraft der Selbstinduktion hier eine Kraft entsprechen, welche
der Beschleunigung des Elektrons proportional und ihr ent
gegen gerichtet ist. Der Gedanke Maxwells, welcher die „elektro
kinetische“ Energie des elektrischen Stromes mit der kineti
schen Energie bewegter träger Massen verglich (Bd. I, § 65),
nimmt hier eine noch greifbarere Form an als beim Leitungs
strome. Jene vom magnetischen Felde herrührende, einer Be
schleunigung des Elektrons entgegen wirkende Kraft entspricht
in der Tat durchaus der Trägheitskraft der gewöhnlichen Me
chanik; es Avird mithin ein bewegtes elektrisches Teilchen in
folge des mitgeführfcen elektromagnetischen Feldes eine träge
Masse besitzen, Avelche man, zum Unterschiede von der trägen
Masse wägbarer Teilchen, als „scheinbare“ oder besser als
„elektromagnetische“ Masse bezeichnen kann. Bei den
unmittelbar an Maxwell anknüpfenden englischen Forschern
J. J. Thomson 1 ) und 0. Heaviside 2 ) findet sich zuerst die Vor-
1) J. J. Thomson, Phil. Mag. 11. S. 229 (1881).
2) 0. Heaviside, Phil. Mag. 27. S. 324 (1889).