Full text: Die Goldene Pforte der Domkirche zu Freiberg (1. Abtheilung, 2. Heft)

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fordern, oder zuzulassen, willkührlicli zur Abwechslung eingeinisclit. Dafür füllen die heiligen Darstel 
lungen vorzüglich den Raum und auf sie deutet Alles. Zu hohen Empfindungen werden wir gestimmt, 
das Gefühl erhebt sich vom Irdischen zu jenem Unsichtbaren, das dem Gott geweihten Herzen Trost 
und Beruhigung gewährt. Wie mächtig musste in jenen Tagen der frommen Vorzeit der Eindruck sein, 
der ein Gott geweihtes Gemiith bei solchen Darstellungen ergriff, das durch sie hindurch geführt, um in 
das Heilige eingelassen zu werden, gestärkt von hoher Begeisterung hingerissen wurde. 
Die Anlage der Pforte lässt bemerken, wie Form und Ausführung gleich vollkommen sind 1 ). 
Die Form des Ganzen ist die im byzantinischen Style gewöhnliche. Auflehnend auf schräg sich einzie 
hende breite Anschlagsmauern, erheben sich halbkreisrunde Bogen, welche das Ganze schliessen, und von 
der länglich viereckigen, mit einem geraden Sturze bedeckten, mit zwei starken Pfeilern eingefassten Öff 
nung der Thür, in immer zunehmender Erweiterung, bis zum äussersten Bogen mehrmals sich herumziehn. 
— Drei Stufen, welche zur Öffnung führten, sind jetzt ausgebrochen. 
Gefällig fesseln die schönen Verhältnisse aller Theile, so wie des Ganzen, den Blick. Die 
schlanken Säulen, mit welchen die Anschlagsmauern besetzt sind, gewähren angenehme Abwechselung 
mit den dazwischen stehenden mit Bildsäulen besetzten Nischen zum Unterbrechen der Fläche, die ohne 
sie zwischen den Nischen den Raum kalt und leer gelassen hätte. Die darüber emporstrebenden, mäch 
tig sich ausbreitenden Halbrundbogen, der Pforte Bedeckung, schaffen ein grossartiges Anselm. Erfreut 
nun auf solche Weise die Form das Auge, so zieht die vollendete Ausführung der Architektur, die 
Trefflichkeit der Sculptur um so mehr an, und fordert uns auf, die Kunstfertigkeit der Deutschen in 
so früher Zeit zu bewundern. 
Gehen wir in das Einzelne ein, so finden wir 2 ), wie an jeder Seite der Anschlagsmauern 
fünf Säulen hervortreten. Die erste rechts und links, als zur Einfassung und Deckung des Ganzen 
vorspringend; auf ihrer gebälkartigen Auflage ruht ein Löwe, der Wächter und Schützer des 
Heiligthums, das Nahen böser Geister zurückweisend. Diese beiden Säulen haben glatte Schäfte; 
mannichfaltig besetzt durch lothrechte Cannelierungen, schräg gezogene Streifen, zackenförmige 
und rhombenartige Zierden sind die Schäfte der vier anderen Säulen jeder Seite. Nischen zwi 
schen den Säulen, vier an jeder Anschlagsmauer, tragen künstliche Schlusssteine, Köpfen von 
Menschen und Thieren gleich gebildet, hier aber wohl ohne besondere Bedeutung. Diese Nischen 
nehmen Standbilder auf, unterstützt von Säulen. 
Auf der Bekrönung der Säulen und Nischen wölben sich halbkreisrunde Bogen, immer 
enger sich zusammen ziehend von der ersten Nische an, bis zu den Pfeilern der Öffnung des 
Einganges. Verschiedenartig sind die Glieder der Bogen profilirt, rechtwinckelig, rund, aus 
gekehlt. So wie die Rundstäbe der Bogen über den zwei äusseren Säulen ihnen gleich, 
ohne Zierden sind, so tragen die Rundstäbe der inneren Bogen die Zierden der Sänlenschäfte, 
über denen sie in die Höhe steigen. Zwischen diesen Gliedern ziehen sich in den Bogen Friese 
herum, mit Sculpturen besetzt. 
1 ) Wir können versichern, dass die Abbildungen Aller der verschiedenen Darstellungen richtig und den Urbildern 
treu wieder gegeben sind, ohne dass die Zeichner einer Verschönerung sich erlaubten. 
2 ) Vergl. Bl. 2, uehmlich die Hauptansicht der goldenen Pforte.
	        
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