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die Stätte zu decken, wo er, als zarter Knabe, mit der göttlichen Mutter weilt. Nichts sagend
würde es sein, Christum selbst, als seinen eigeneu Schutz aufzustellen, und auf solche Art, als
Mann, auf seine Kindheit zu verweisen. Gott der Vater tritt hier hingegen in hoher Würde auf,
ihn fordert die Darstelluug des Ganzen, das Buch, worunter wir das alte Testament denken,
die Prophezeihungen von dem Sohne enthaltend, und Maria, hier schon als Himmelskönigin mit
der Krone bezeichnet, beide mit den Händen berührend, lässt den Ausspruch vermuthen:
Was im Geheim verkündet durch die heilgen Seher,
Erscheint im Licht durch die Gebenedeite.
Unbestimmt ist zwar die Darstellung des Buches, das einem Steine ähnelt, der aber hier keine
Bedeutung haben könnte, und unstreitig in der Ausarbeitung als Buch nicht vollendet, oder nach
her verwittert ist.
Als Knabe zeigt sich der göttliche Sohn nachmals im zweiten Friese, ein Bild, das gewählt
wurde, um der Sculptur des Thürfeldes nicht entgegen zu stehen. Unterstützt von einem Engel, und
einem hochbejahrten Manne, die den Knaben auf den Händen tragen, sehen wir ihn den mittlern Theil
des Frieses einnehmen. Joseph kann der Greis nicht sein, denn diesem wird von den alten
Künstlern stets eine untergeordnete Rolle gegeben und bescheiden wird er zurückgestellt. So
könnten wir eher Abraham vermuthen. Allein da zwischen den Knieen des Alten ein Knabe sich
anlehnt, so ist wahrscheinlich durch Jenen Zacharias bezeichnet, durch Diesen Johannes der Täufer.
Auch sind beide gleichzeitig mit Jesus und gehören dem neuen Testamente an. Neben dem Mit
telbilde ruhen auf Sesseln heilige Väter, drei und drei auf jeder Seite, die zu verkünden schei
nen, wie Christus zum Heil der Welt in sie eintrat. l )
Nun darf sie nicht fehlen, die gefeierte Taube, das Bild der Ausströmung der Weisheit
und des Geistes der Gottheit, die Sculptur des dritten Frieses. Auf Blätterzweigen ruht sie, die
sich unter ihr ausbreiten, von Engeln getragen. Neben ihr sind vier der Apostel auf jeder Seite sicht
bar, als Repräsentanten aller, die Ausgiessung des göttlichen Geistes empfangend und in Andacht der
Begeisterung sich überlassend, in alle Welt gesandt, die reine, göttliche Lehre zu verkünden.
Der vierte Fries eröffnet das Weltgericht. Vom Engel des Gerichts werden die From
men in die himmlischen Wohnungen eingeführt. In der Mitte breitet der Engel gegen zwei die
Hände aus, und erhebt sie. Andere folgen ihnen, den Gräbern erstehend, in mannigfaltiger Stel
lung die Grabsteine lüftend, mit leichten Gewändern angethan. Sie sind bereit in die Herrlichkeit
einzugehn, die der Heiland durch seinen Tod ihnen erwarb. In Allem herrscht liier himmlische Ruhe,
und so konnten hier die nicht dargestellt werden, die im Leben vom Heiland sich wendeten, und
von seinem Wege abwichen, und dadurch der Verdammniss anheimfielen.
Lässt sich nun auf solche Weise der Sinn fassen, den die Künstler ihrer Darstellung unterleg
ten , und waren wir wirklich so glücklich, in diesen Sinn einzudringen, so ist nicht zu verkennen, wie diese
Engeln abgebildet worden sind.) Gleichermassen schliessen sich c, b und a, g, f und e auf Bl. 6 an c, b,
a, g, f, e auf Bl. 7 an, und bilden so die völligen Halbzirkel des zweiten, dritten und vierten Frieses
*). Da zwei dieser sechs Figuren ziemlich beschädigt sind, so hat man sie in den Abbildungen weggelassen.
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