Die Forschungen über den Atombau.
273
125. Anordnung der Elektronen in Ringen (Bohr).
Über die Einzelheiten des Baues der Kerne ist zurzeit nichts Sicheres
bekannt. Nur durch die radioaktiven Erscheinungen erhält man Einblick
in die Zusammensetzung der Kerne; das ist daher nur bei wenigen Sub
stanzen möglich. Debierne (1915) macht darauf aufmerksam, daß die Grup
pierung in den Radioatomen keine symmetrische sein kann. Denn sonst
wäre nicht zu verstehen, wie kritische Lagen eintreten könnten, die die
Voraussetzung für den Zerfall bilden (vgl. Lindemann 92.).
Etwas mehr läßt sich sagen über die Anordnung der zahlreichen den
Kern umgebenden Elektronen. Daß sie eine Reihe von Ringen bilden müssen,
ist schon oben hervorgehoben worden. Aus dem Zeemanschen Phänomen
(siehe 114.), den Versuchen von Einstein-Haas und Barnett (1915) über die
Entstehung magnetischer Kräfte durch kleinste rotierende Teilchen folgt,
daß im Atom, unabhängig davon, ob es strahlt oder nicht, stets Elektronen
e vorhanden sind, die in Kreisen um einen Kern (Ladung E) sich bewegen.
Wir können annehmen, daß die Bewegung eine Frequenz v besitzt, die der
beobachteten X-Strahlung entspricht. In einem solchen System herrscht
Gleichgewicht, wenn die Coulombsche Anziehungskraft zwischen den
Ladungen e und E gleich ist der Zentrifugalkraft des Elektrons e. Es ergibt
sich einfach (siehe 131.) eE/a * 2 = An 2 mav 2 (a: Radius des Kreises des Elek
trons). Für 2 Substanzen mit den Ladungen E x und E 2 , den Radien a x und
a 2 , den Frequenzen v x und v 2 ist dann v x 2 / v 2 2 = E x a 2 3 / E 2 a x 3 . Nach den
Moseleyschen Regeln ist v 2 lv 1 = E 2 2 /E x 2 . Daraus folgt E 1 /E 2 = a 2 /a 1 , d.h.
die Radien der Bahnen verhalten sich für verschiedene Atome bei gleicher
Art der Strahlung umgekehrt wie die Kernladungen. Die engen Beziehungen
zwischen K- und L-Strahlung lassen den Schluß zu, daß der K-Strahlungs
kreis von dem L-Kreis umgeben ist. Aus dem Verhältnis der Frequenzen
(1 : 8) folgt, daß der Radius der L-Bahn etwa 87* oder 4mal so groß ist,
wie der der /(-Bahn. 1 ) Die Ringe können verschiedene Form haben; es gibt
Kreise oder Ellipsen. Die Bahndurchmesser müssen bestimmten Quanten
bedingungen genügen, wodurch ihre Zahl sehr eingeschränkt wird. 2 ) Über
die Zahl der Elektronen, die im Höchstfall einen stabilen Ring bilden können,
ist eine sichere Entscheidung noch nicht zu treffen. Abgesehen von dem
äußersten, dem Valenzring, kann man die Frage nur theoretisch lösen. Dabei
kann man nicht das Rutherfordsche Atommodell zugrunde legen — dieses
führt bei Anwendung der üblichen elektrodynamischen Grundlagen nicht zu
stabilen Anordnungen. Zur Rechnung ist (Rayleigh 1906, Föppl 1914) das
von Lord Kelvin (1902) und J. J. Thomson (1904) benutzte Modell des
Atoms verwendet worden, bei dem die mathematischen Schwierigkeiten
der Rechnung noch zu überwinden sind. Bei diesem Modell bewegen sich
die Elektronenringe innerhalb einer positiv geladenen sich über den Atom
bereich erstreckenden Hülle. Föppl untersuchte die Stabilität von Ringen,
die auf einer gemeinsamen Achse übereinander liegen. Jeder der Ringe
kann bis zu 8 Elektronen enthalten. Tritt ein weiteres Elektron hinzu, so
entsteht ein neuer Ring. In einer Ebene lassen sich nicht mehr als 5 Elek
x ) Siehe dagegen Langmuir (bei 135.).
2 ) Siehe die Bohrsche Theorie (Sommerfeld, Planck bei 133.).
Bein, Das chemische Element. 18