Full text: Lehrbuch der Experimental-Physik oder Erfahrungs-Naturlehre (Zweiter Band)

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Theorie der Bewegungen 
andres elektrisirtes und unbewegliches Scheibchen hingehalten, das ich 
erst als aus einem nichtleitenden Stoffe bestehend annehmen will, 
damit die auf seiner Oberflache vertheilte El. ihre Stelle nicht ver 
ändere. So lange das bewegliche Scheibchen allein in der Wage 
befindlich ist, vertheilt sich die El. auf seinen beiden Flachen, wegen 
ihrer Symmetrie, aus die nämliche Art und in gleichen Verhältnissen. 
Der Druck gegen die äußere Lust ist mithin von beiden Seiten gleich, 
und kann keine Bewegung zur Folge haben. So wie aber diese El. 
in die Wirkungssphäre des unbeweglichen Scheibchens kommt, wird 
sie von dessen El. angezogen oder abgestoßen, und drückt nun ungleich 
aus ihren beiden Flachen gegen die äußere Luft. Im Fall der Anzie 
hung überwiegt ihr Druck aus der dem unbeweglichen Scheibchen 
zugekehrten Seite; im Fall der Abstoßung auf der davon abgewen 
deten. Zm ersten Fall also treibt die Uebermacht des Luftdrucks das 
bewegliche Scheibchen nach dem unbeweglichen hin; entfernt es da 
gegen im zweiten davon. 
Die Oberflächen, die wir bisher betrachteten, waren so gestaltet, 
daß sich die El., wenn sie sich selbst überlassen war, offenbar sym 
metrisch auf denselben anordnen und gleichen Druck auf ihre entge 
gengesetzten Theile äußern mußte. Hier konnte der elektrisirte Körper, 
wenn er keinem anderweitigen fremden Einfluß ausgesetzt war, nicht 
anders als in Ruhe bleiben. Obwohl nun eine solche Ausgleichung 
des entgegengesetzten Drucks schwerer an Körpern von minder ein 
facher Gestalt nachzuweisen ist, so ist darum nicht minder gewiß, daß 
sie Statt findet; denn einem in der Mechanik erwiesenen Satze zu 
folge können die wechselseitigen Wirkungen der Theile eines freien 
Systems diesem keine Fortbewegung oder Rotation um seinen eigenen 
Mittelpunct einpflanzen. 
Anders würde sich die Sache in dem Fall verhalten, wenn das 
el. Fluidum an irgend einer Stelle des Körpers auszuströmen ver 
möchte. Man verfertige z. B. aus einem dicken Messing - oder Eisen 
draht eine Nadel AA, Taf. VII. Fig-. 20, deren beide Enden senk 
recht auf ihrer Länge in entgegengesetzter Richtung gebogen und scharf 
zugespitzt sind. Durch die Mitte 6 werde ein kleines Loch gebohrt, 
darauf ein kegelförmiges Hütchen angebracht, und mittelst dessen die 
Nadel auf einen Stift (IM gesetzt, um den sie sich horizontal drehen 
kann. Den Fuß des Stifts schraube man auf das Ende des Con 
ductors einer Elektrisirmaschine. So lange keine El. erregt wird, 
bleibt die Nadel unbeweglich in der gegebenen Lage, so wie man aber 
die Elektrisirmaschine in Wirksamkeit treten läßt, fängt die Nadel an, 
sich mit zunehmender Schnelligkeit zu drehen, als wenn sie die Luft 
mit ihren Spitzen fortstieße. 
Um das Verständniß dieser Erscheinung zu erlangen, wollen 
wir uns denken, die Nadel sey nach ihrem Elektrischwerden mit einer 
dünnen isolirenden gewichtlosen Schicht bedeckt, die sie allenthalben 
umhülle, und werde frei im leeren Raume an einem Seidenfaden
	        
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