Full text: Lehrbuch der Experimental-Physik oder Erfahrungs-Naturlehre (Vierter Band)

102 
Gesetze des Erdmagnetismus. 
selben entfernt. Beschränkt man sich darauf, die Halste des Erd- 
körpers zu betrachten, für welche der magnetische Acquator ziemlich 
kreisförmig zu seyn scheint, worin Europa, der Atlantische Ocean 
und die Oftküsten der beiden Americas begriffen sind, so sieht man, 
daß die Neigung unter den Parallelkreisen, die zu beiden Seiten 
von diesem Aequator gleich weit abliegen, sich ziemlich gleich bleibt, 
so daß, wenn man das nämliche Gesetz weiter verfolgt, das Maxi 
mum der Neigung an zwei entgegengesetzten Puncten der Erde 
Statt haben würde, von denen der nördlich gelegene 'sich unter 
25° W. L. und 90° —14° d. t. 76° N. B. befände, während der 
andre, ihm diametral entgegengesetzte, 205° W. L. und 76° S. B. 
hatte. Dies also wären die Pole des magnetischen Aequators, 
im Fall er kreisförmig wäre, und dann müßten sich die Neigungs 
nadeln vertical daselbst halten. Allein dem ist nicht so; denn die 
Expedition, welche im I. 1818 von den Engländern nach Norden 
auf Entdeckungen ausgesandt wurde, beobachtete, da sie bis 63° 
W. L. und bis 75° N. B. vorgedrungen war, allerdings beträcht 
liche Neigungen, indem sie 84° überstiegen; allein die Abweichun 
gen, welche bis 87° giengen, waren noch westlich, wie zu London. 
Woraus erhellt, daß der wahre magnetische Pol westlicher liegt, als 
er zufolge der vorigen Angaben liegen würde. Beschränkt man sich 
jedoch daraus, blos die Neigungen zu betrachten, und versucht man, 
sie zu berechnen, entweder für die Nahe an dem Theil des magne 
tischen Aequators, der sich als kreisförmig ansehen läßt, oder für 
hinlängliche Weiten von demselben, daß die Beugungen seines Laufs 
keinen Einfluß mehr äußern, so findet man, daß sie sich, mit sehr 
geringem Irrthum, in Zahlen ausdrücken lassen, nach der Annahme, 
daß sich, in der Mitte der Erde ein ganz kleiner Magnet, oder was 
auf dasselbe hinauskommt, zwei unendlich nahe magnetische Mittel 
puncte befinden, die ihre Wirkungen auf alle Puncte der Erdober 
fläche nach den gewöhnlichen Gesetzen der magnetischen Kräfte äu 
ßern, d. i. nach dem umgekehrten Verhältnisse des Quadrats des 
Abstands. Dies Resultat findet sich aus Thatsachen der Beobach 
tung in einer Abhandlung hergeleitet, welche von Humboldt und 
von mir über die Veränderungen des Erdmagnetismus unter ver- 
schiednen Breiten erschienen ist *. Bezieht man die Puncte der 
Erdoberfläche, ihrer Länge und Breite nach, auf den magnetischen 
Aequator, als einen größten Kreis der Erde betrachtet, so zeigt der 
Calcul, daß für alle Zonen, wo diese Kreisförmigkeit als gültig 
* Sie findet sich übersetzt in Gilb. An». XX 257.; die Abhandlung von 
Morlct in Gilb. LXX. 1. Gegen die Ansicht, daß in der Mitte der Erde 
sich ein ganz kleiner Magnet mit unendlich nahen Polen befinde, lassen sich übri 
gens sehr erhebliche Einwürfe machen, wie in den Zusätzen zu diesem Capitel 
weiter erörtert werden wird; wo auch gezeigt werden wird, wie man anstatt 
zweier magnetischer Erdpole nach Hauste cns (wie cs scheint mehr begründeter) 
Ansicht eigentlich deren 4 anzunehmen hat.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.