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Gesetze des Erdmagnetismus.
selben entfernt. Beschränkt man sich darauf, die Halste des Erd-
körpers zu betrachten, für welche der magnetische Acquator ziemlich
kreisförmig zu seyn scheint, worin Europa, der Atlantische Ocean
und die Oftküsten der beiden Americas begriffen sind, so sieht man,
daß die Neigung unter den Parallelkreisen, die zu beiden Seiten
von diesem Aequator gleich weit abliegen, sich ziemlich gleich bleibt,
so daß, wenn man das nämliche Gesetz weiter verfolgt, das Maxi
mum der Neigung an zwei entgegengesetzten Puncten der Erde
Statt haben würde, von denen der nördlich gelegene 'sich unter
25° W. L. und 90° —14° d. t. 76° N. B. befände, während der
andre, ihm diametral entgegengesetzte, 205° W. L. und 76° S. B.
hatte. Dies also wären die Pole des magnetischen Aequators,
im Fall er kreisförmig wäre, und dann müßten sich die Neigungs
nadeln vertical daselbst halten. Allein dem ist nicht so; denn die
Expedition, welche im I. 1818 von den Engländern nach Norden
auf Entdeckungen ausgesandt wurde, beobachtete, da sie bis 63°
W. L. und bis 75° N. B. vorgedrungen war, allerdings beträcht
liche Neigungen, indem sie 84° überstiegen; allein die Abweichun
gen, welche bis 87° giengen, waren noch westlich, wie zu London.
Woraus erhellt, daß der wahre magnetische Pol westlicher liegt, als
er zufolge der vorigen Angaben liegen würde. Beschränkt man sich
jedoch daraus, blos die Neigungen zu betrachten, und versucht man,
sie zu berechnen, entweder für die Nahe an dem Theil des magne
tischen Aequators, der sich als kreisförmig ansehen läßt, oder für
hinlängliche Weiten von demselben, daß die Beugungen seines Laufs
keinen Einfluß mehr äußern, so findet man, daß sie sich, mit sehr
geringem Irrthum, in Zahlen ausdrücken lassen, nach der Annahme,
daß sich, in der Mitte der Erde ein ganz kleiner Magnet, oder was
auf dasselbe hinauskommt, zwei unendlich nahe magnetische Mittel
puncte befinden, die ihre Wirkungen auf alle Puncte der Erdober
fläche nach den gewöhnlichen Gesetzen der magnetischen Kräfte äu
ßern, d. i. nach dem umgekehrten Verhältnisse des Quadrats des
Abstands. Dies Resultat findet sich aus Thatsachen der Beobach
tung in einer Abhandlung hergeleitet, welche von Humboldt und
von mir über die Veränderungen des Erdmagnetismus unter ver-
schiednen Breiten erschienen ist *. Bezieht man die Puncte der
Erdoberfläche, ihrer Länge und Breite nach, auf den magnetischen
Aequator, als einen größten Kreis der Erde betrachtet, so zeigt der
Calcul, daß für alle Zonen, wo diese Kreisförmigkeit als gültig
* Sie findet sich übersetzt in Gilb. An». XX 257.; die Abhandlung von
Morlct in Gilb. LXX. 1. Gegen die Ansicht, daß in der Mitte der Erde
sich ein ganz kleiner Magnet mit unendlich nahen Polen befinde, lassen sich übri
gens sehr erhebliche Einwürfe machen, wie in den Zusätzen zu diesem Capitel
weiter erörtert werden wird; wo auch gezeigt werden wird, wie man anstatt
zweier magnetischer Erdpole nach Hauste cns (wie cs scheint mehr begründeter)
Ansicht eigentlich deren 4 anzunehmen hat.