Sechstes Buch.
Vom Magnetismus* **.
Erstes Capitel.
Allgemeine Erscheinungen der magnetischen Anzie
hung und Abstoßung.
Mineralien, die das Eisen in einem wenig oxydirten
Zustande enthalten, besitzen, aus der Erde zu Tage gefödert, die
sonderbare Eigenschaft, das Eisen durch eine, unsichtbar in die Ferne
wirkende, Kraft anzuziehen. Oft ist diese Anziehungskraft so schwach,
daß sehr feine Untersuchungen erfoderlich sind, sie auszumittelnzu
weilen aber tritt sie in so mächtigem Grade hervor, daß sie beträcht
liche Gewichte zu erheben vermag. Dann erhalt das Mineral den
Namen Magnet (aimaut, magnes), griechisch /.layptjg (von der
Stadt Magnesia in Kleinasien, wo die anziehende Kraft des Magnets
zuerst beobachtet worden ist).
Auf die einfachste Weise laßt sich das Vermögen und die Ver-
theilung der anziehenden Kraft in einem Stück eines natürlichen
Magneten dadurch bemerklich machen, daß man ihn in Eisenfeile
herumwälzt und dann zurückzieht^« Man sieht alsdann, daß eine
mehr oder minder beträchtliche Menge dieser Eisenfeile an den ver
schiedenen Theilen seiner Oberfläche, obwohl nicht an allen gleich
mäßig, hängen geblieben ist. Vorzüglich auffallend zeigt sich dieser
Erfolg an zwei entgegengesetzten Stellen X, S, Taf. IX. Fig. t, wo
die Eisentheilchen sich in größerer Masse ansammeln und eine unend
liche Menge kleiner sich sträubender, unter einander paralleler, Nadeln
bilden. Man nennt diese Stellen Pole des Magnets. Zu leich
terer Beobachtung ihrer Eigenschaften will ich annehmen, daß man
ihnen die Form zweier ebenen und parallelen Flächen, 8, N, Fig. 2,
in einer, auf die Richtung der kleinen Nadeln ungefähr senkrechten,
* Ueber die mathematische Darstellung des Magnetismus vcrgl. namentlich
Poisson in den Nouv. mein, de l’acad. roy. T. V.
** Sehr bequem kann man sich auch zu den einfachsten magnetischen Bcr«
suche», nach der Analogie des elektrischen Pendels, ciiteö magnetischen Pendels
bedienen, wo das Hollundcrmarkkugclchcn blos durch eine kleine Eiscnkugel erseht ist.
Biot's Experimental-Physik. IV. 1